0898 - Todesruf der Alten Göttin
zurück. »Willst du jetzt zu ihr gehen, Suko?«
»Sicher, zu Shao.«
»Dann gehst du auch zu einer Göttin, nicht?«
***
Plötzlich wurde es still. Wir hatten das Gefühl, auf brennenden Unterlagen zu sitzen. Der Junge wußte über Shao Bescheid, darüber, daß sie die letzte Person in der langen Ahnenreihe der Sonnengöttin Amaterasu war, auch wenn er möglicherweise die Namen nicht kannte, aber er hatte es einfach gespürt.
Da Suko angesprochen worden war, überließen wir es ihm, die Antwort zu geben. »Ja, Gordy, ich werde jetzt zu meiner Partnerin gehen, aber sie ist keine Göttin.«
Gordy ließ sich nicht beirren. »Ich glaube, da irrst du dich, Suko. Shao ist eine Göttin, ich habe es gespürt. In ihr steckt etwas von der großen Urkraft, die damals alles Weibliche vereint hat. Du kannst mir einen Gefallen tun. Ich möchte, daß du zu ihr fährst, aber bitte sie, hierherzukommen.«
»Gut. Und dann?«
»Ich will sie sehen, ich will sie fühlen, ich will versuchen, an sie heranzukommen.«
»Und dann?«
Er blinzelte. »Etwas von ihr ist zugleich auch etwas von meiner Mutter. Shao ist meine Mutter, Astrate ist meine Mutter, Innana ist meine Mutter, sie ist ein Stück Kraft, die aus der Erde kam. Eine Erinnerung an die frühe Erde und auch an die ersten Menschen, die sich zusammenfanden. Ich habe immer eine Göttin gesucht, in der ich meine Mutter sehen konnte. Shao wird es sein. Wenn sie mir hilft, kann ich auch Kaldar und Sinara für alle Zeiten besiegen.«
Selbst Suko, der einiges gewöhnt war, geriet ins Grübeln. Er traute Gordy nicht so recht, und auch ich hatte meine Zweifel, aber ich hielt mich außen vor.
Das wollte Suko nicht. Er schaute mich an und fragte mich dabei um Rat. »Was meinst du, John?«
»Tu es.«
»Ich soll also mit Shao zurückkommen?«
»Ja.«
»Hm.« Er nickte. »All right, ich werde es machen. Ihr wartet dann auf mich.«
»Darauf kannst du dich verlassen!« erklärte die Horror-Oma. »Warte, ich bringe dich zur Tür.«
Beide verließen den Raum. Jane und ich blieben mit Gordy allein zurück. Ich sah den skeptischen Blick der Detektivin, und auch ich schaute nicht gerade fröhlich aus der Wäsche. Daß dieser Fall so abdriften würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Gordy gab uns nach wie vor Rätsel auf. Er war ein Psychonauten-Kind, zugleich aber ein Kind-Pharao, der es nicht mehr geschafft hatte, seinen Thron zu besteigen, weil Gegenkräfte vorhanden gewesen waren.
Wir hörten, wie Gordy seufzte. Er wurde unruhig und wischte mit den Handflächen über die Hosenbeine.
»Was ist los mit dir?« fragte ich.
Gordy hob die Schultern. »Das weiß ich nicht so genau. Aber die Ruhe ist dahin.«
»Ich sehe nichts.«
»Aber ich kann es spüren. Die beiden, Kaldar und Sinara, sind wieder unterwegs. Sie suchen mich, sie folgen meinen Spuren. Es ist der Fluch des dritten Auges. Es strahlte etwas ab, das ich nicht fassen kann. Eine Spur, die sie aufnehmen…«
»Dann müssen wir uns darauf vorbereiten, daß sie hier eintreffen? Ich meine, ihre Astralleiber.«
Der Junge zögerte mit der Antwort. »Eigentlich schon, aber sie sind noch woanders.«
»Weißt du, wo?«
»Es ist schlimm, und ich kann auch nur raten. Aber sie haben Bescheid gewußt, denn sie müssen mich gehört haben, als ich euch alles erzählte, was ich wußte.«
»Dann werden sie etwas herausfinden wollen?«
»Bestimmt.«
»Aber bei dir nicht?«
»Nein, denn es gibt einen anderen Kontakt. Sie suchen die alte Urkraft, die Kraft der Göttin, und die, das weiß ich auch, steckt in Sukos Frau oder Freundin…«
»Shao?«
Gordy nickte. Sein Gesichtsausdruck blieb ernst. »Ich befürchte es…«
In diesem Augenblick kehrte Sarah Goldwyn zurück. »Welch ein Morgen!« sagte sie nur.
»Ja, du hast recht«, flüsterte ich und stand auf. »Kann ich mal telefonieren?«
»Sicher. Mit wem?«
»Ich muß Suko erreichen…«
***
Shao hatte sich nach dem Telefongespräch mit ihrem Partner wieder hingelegt. Allerdings nicht ins Bett, und sie hatte sich auch nur kurz geduscht, wobei sie sich vorkam wie von einem inneren Motor angetrieben. Sie tat es, obwohl sie es eigentlich noch nicht in dieser Frühe wollte, der Schlaf hätte ihr besser getan, doch der innere Motor ließ sich einfach nicht abstellen.
Shao war nervös.
Keine normale Unruhe, wie Menschen sie bei einem Wetterumschwung spüren. Etwas war plötzlich über sie gekommen und hatte sie in ihren Bann gezogen.
Die Chinesin bewegte sich völlig
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