0899 - Schwanengesang
Blut nun literweise. Er musste grausame Schmerzen erdulden. Gryf kannte keine Gnade. Er wusste in diesem Augenblick, dass er mit der Sichel und seiner Beweglichkeit erneut locker siegen würde. Lhaxxa-Tok war bereits zu schwer angeschlagen, um noch an einen Abwehrzauber zu denken, der den Silbermonddruiden abgeblockt hätte. Trotzdem sah Gryf mit Sorge, dass sich neben zwei Köpfen der Svantevit-Statue auch eine Hand bewegte. Die Tentakel daran zuckten konvulsivisch, so, als würden sie gerade aus einem äonenwährenden Schlaf erwachen und müssten ganz langsam ihre Beweglichkeit testen. Hatte Lhaxxa-Tok mit seiner Beschwörung doch noch Erfolg gehabt? Würde sich Svantevit gleich in dieser Statue manifestieren?
In diesem Moment löste sich einer der Tanaar aus der Angriffsphalanx und rannte geduckt auf die Svantevit-Statue zu! Gryf glaubte Deegh zu erkennen. Der Tanaar fuchtelte an seiner Kleidung herum und hielt plötzlich etwas in der Hand. Während der Silbermonddruide die Sichel in Lhaxxa-Toks Oberschenkel trieb und den Dämon damit ins Straucheln brachte, leerte Deegh ein weißes Pulver über die Svantevit-Statue.
Sofort entstand ein grell leuchtendes silbernes Feuer, das sich an der Statue hochfraß und sie komplett einhüllte. Bis an die Decke schlugen die magischen Flammen. Merlins Stern gab seine Passivität nun endgültig auf. Die wohlbekannten silbernen Angriffsblitze, die aus derselben Magie wie das Feuer zu bestehen schienen, schlugen im Zehntelsekundentakt in die Statue ein.
Der riesige Feuerball begann, sich zusammenzuziehen. Dabei erfasste er auch Lhaxxa-Tok und zog ihn in sein Inneres. Noch einmal, im Angesicht des sicheren Todes, bäumte sich die Echse auf. Zamorra und Gryf sahen ihre Konturen wie einen schwarzen Schattenriss innerhalb der silbernen Flut. Immer kleiner wurde die silberne Sphäre, immer kleiner - und implodierte schließlich in einem letzten grellen Aufleuchten, als er nur noch die Größe einer Stecknadel besaß.
Es war vorbei. Gespenstische Stille breitete sich in der Höhle aus. Die Stille des Todes. Mit Lhaxxa-Toks Tod waren seine Tanaar klagend aus der Höhle geflohen; alle bis auf einen.
Deegh schaute sich vorsichtig um. Er erwartete Zamorra und Gryf, die vor ihn hintraten.
»Wer bist du wirklich, Deegh?«, fragte Zamorra.
»Ahnst du es nicht?«, stellte die Echse eine Gegenfrage.
»Patricia Geery«, antwortete Gryf an Zamorras Statt. »Du bist Patricia Geery. Oder besser, du warst es einst. Ich habe es geahnt, seit wir dich zum ersten Mal getroffen haben.«
»Ach?« Zamorra sah in diesem Moment nicht sehr intelligent drein. »Hinterher kann man nämlich immer alles behaupten.«
Gryf grinste. »Hast du's wirklich nicht bemerkt, Alter? Deegh verstand menschliche Redewendungen auf Anhieb und benutzte selber welche. So sprach er zum Beispiel von zwei Dutzend Tanaar, auf die wir treffen würden. Wer außer Menschen benutzt die Maßeinheit Dutzend? Und als Deegh von der Taucherin sprach, die das Netz der Götter zerstört habe, klang das ein bisschen melancholisch. Zudem hatte Deegh ein paar Problemchen mit dem Schwimmen und kannte sich auch im Palast nicht besonders gut aus. Noch mehr Details?«
»Lass stecken«, brummte Zamorra missmutig. »Ich scheine langsam alt zu werden. Was ist passiert, Miss Gee… ich meine Deegh.« Er fühlte sich komisch dabei, die Echse mit »Miss Geery« anzusprechen.
»Patty, sagen Sie ruhig Patty zu mir«, erwiderte sie zischelnd. »Ich habe zwar den Körper eines Tanaar, aber mein menschliches Bewusstsein ist geblieben.«
»Gut, Patty. Ich bin Zamorra, das ist Gryf. Hm. Wenn ich das in der Schwarzen Gruft richtig mitbekommen habe, können nur darin Tanaar entstehen. Das heißt, dass Sie ebenfalls in der Gruft waren, Patty. Stimmt's?«
»Ja.« Ein paar Tränen kullerten plötzlich aus den Augen des Echsenwesens. »Als ich im Moray Firth tauchte, hat mich in einer Unterwasserhöhle eine Muräne angegriffen und verletzt. Mein Blut hat die Macht eines blauen Kristalls gelöscht. Ich… ich habe früher nie an Übersinnliches und an andere Welten und so was geglaubt, aber weil der blaue Kristall plötzlich explodierte, wurde ich in das Weltentor geschleudert und von der Schwarzen Gruft erfasst und eingesaugt.«
»Kann ich mir vorstellen«, murmelte Gryf düster.
»Was weißt du davon?«
»Später, Alter. Lass erst die junge Dame erzählen.«
»Ja, also, es war schrecklich. Ich habe nicht geglaubt, dass die Wirklichkeit so viel
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