09 - Befehl von oben
Viele Staatschefs, Botschafter und andere machten freundliche Konversation. Hin und wieder wurde gar diskret gelacht, über kleine Scherze und Komplimente. Die Stimmung des Tages hatte sich gewandelt.
»So, wie viele Prüfungen habe ich bestanden und wie viele nicht?« fragte Ryan leise.
»Ehrliche Antwort? Nicht zu sagen. Da hat jeder was anderes gesucht. Immer dran denken.« Und einige von ihnen scherten sich tatsächlich einen Dreck darum, waren aus eigenen politischen Zwecken gekommen, aber selbst unter diesen Umständen war es unhöflich, das zu sagen.
»Das hab' ich mir schon selber so gedacht, Arnie. Jetzt mach' ich mal 'n bißchen die Runde, okay?«
»Indien treffen«, riet van Damm. »Adler hält es für wichtig.«
»Roger.« Wenigstens erinnerte er sich noch, wie sie aussah. So viele Gesichter aus der Schlange waren für ihn gleich wieder verschwommen, wie das auf zu großen Partys immer passierte. Politiker hätten ein fotografisches Gedächtnis für Namen und Gesichter, hieß es. Er jedenfalls nicht, und er fragte sich, ob es dafür nicht eine spezielle Trainingsmethode gäbe. Jack gab sein Glas einem Bedienstete, wischte sich die Hände mit einer der besonderen Servietten und machte sich auf den Weg, Indien zu treffen. Rußland hielt ihn auf.
»Herr Botschafter«, sagte Jack. Waleri Bogdanowitsch Lermonsow war zwar auch in der Reihe gewesen, doch die Zeit reichte nicht für das, was er hatte sagen wollen. Sie schüttelten sich noch einmal die Hände.
Lermonsow war Karrierediplomat und bei seinesgleichen beliebt. Es hieß, daß er jahrelang für den KGB gearbeitet hatte, doch das war kaum etwas, das ihm gerade Ryan vorzuwerfen hatte.
»Meine Regierung läßt anfragen, ob eine Einladung nach Moskau erwogen werden könnte.«
»Ich hätte nichts dagegen«, sagte der Präsident, »aber wir waren doch erst vor ein paar Monaten da, und meine Zeit ist im Augenblick sehr knapp bemessen.«
»Daran zweifle ich nicht, aber meine Regierung möchte ein paar Fragen von gegenseitigem Interesse diskutieren.« Die spezielle Redewendung veranlaßte Ryan, sich dem Russen ganz zuzuwenden.
»So?«
»Ich befürchtete, daß Ihr Terminplan ein Problem sein könnte, Mr. President. Würden Sie dann eventuell einen persönlichen Repräsentanten zu einer diskreten Unterredung empfangen?«
Dabei konnte es sich nur um eine Person handeln, war Jack klar. »Sergej Nikolajewitsch?«
»Würden Sie ihn empfangen?« beharrte der Botschafter.
Ryan hatte einen kurzen Augenblick von, wenn nicht Panik, so doch Unruhe. Sergej Golowko war Leiter des RVS - des wiedergeborenen, verkleinerten, noch immer beeindruckenden KGB. Er gehörte auch zu den wenigen in der russischen Regierung, die sowohl Verstand als auch das Vertrauen des russischen Präsidenten besaßen, Eduard Petrowitsch Gruschawoy, selbst einer der wenigen Menschen in der Welt, die noch mehr Probleme hatten als Ryan. Mehr noch, Gruschawoy hielt sich Golowko genauso als Stütze, wie Stalin sich Berija gehalten hatte, brauchte er doch einen Berater mit Verstand, Erfahrung und Macht. Der Vergleich war zwar nicht ganz fair, aber Golowko würde bestimmt nicht kommen, um ein Kochrezept für Borschtsch zu überbringen. >Fragen von gegenseitigem Interesse< verhieß meistens ernste Angelegenheiten; daß man sich direkt an den Präsidenten wandte und nicht den Weg über das State Department nahm, war noch ein Hinweis, und Lermonsows Drängen ließ die Angelegenheit noch ernsthafter erscheinen.
»Sergej ist ein alter Freund«, sagte Jack mit einem freundlichen Lächeln. Seit der Zeit, da ich seine Pistole im Gesicht hatte. »Stets willkommen in meinem Haus. Sprechen Sie mit Arnie den Termin ab?«
»Das werde ich, Mr. President.«
Ryan nickte und ging weiter. Der Prince of Wales hatte die indische Premierministerin in Erwartung von Ryans Erscheinen festgeplaudert.
»Frau Premierministerin, Eure Hoheit«, sagte Ryan mit einem Nicken.
»Wir hielten es für wichtig, ein paar Dinge klarzustellen.«
»Was könnte das wohl sein?« fragte der Präsident. Ihm war, als hätte es ihm einen elektrischen Schlag versetzt, ihm war klar, was kommen mußte.
»Dieser unglückliche Zwischenfall im Indischen Ozean«, sagte die Premierministerin. »Solche Mißverständnisse.«
»Ich bin ... froh, das zu hören ...«
Selbst die Army hatte freie Tage, und das Begräbnis eines Präsidenten war ein solcher Tag. Sowohl die Blaue Streitmacht als auch OpFor hatten für einen Tag abgerüstet.
General Diggs' Haus stand auf
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