09 - Befehl von oben
verdiente. Von fern sah Schnauzbart mächtig und unbesiegbar aus, aber nicht aus der Nähe. Seine Leibwächter wußten es besser, denn sie kannten alles, sahen seine Zweifel und Ängste, kleinliche Grausamkeiten, die er unverdient austeilte. Er hatte Schnauzbart nur so zum Spaß morden sehen, vielleicht nur, um zu sehen, ob seine Browning heute funktionierte. Hatte gesehen, wie er aus einem seiner weißen Mercedes sah, eine junge Frau erblickte, auf sie zeigte, Befehl gab und die Unglückliche für eine Nacht benutzte. Die mit Glück kehrten mit Geld und Schande nach Hause zurück. Die mit weniger schwammen den Euphrat hinab mit durchschnittener Kehle, nicht selten von Schnauzbarts eigener Hand, wenn sie ihre Unschuld zu eifrig verteidigt hatten. Aber so mächtig er war, so clever und gerissen er war, so ungeheuer grausam er war, unbesiegbar war er nicht. Und jetzt war seine Zeit gekommen, vor Allah zu treten.
Schnauzbart trat aus dem Gebäude heraus auf den breiten Vorbau, die Leibwächter hinter ihm, den rechten Arm zum Gruß der versammelten Menge entgegengestreckt. Die Menschen auf dem Platz, hastig versammelt, brüllten ihre Bewunderung, an der Schnauzbart sich labte wie die Blume am Sonnenlicht. Und dann, drei Meter entfernt, zog der Oberst seine Automatik aus dem Lederhalfter, hob sie mit einer Hand und feuerte eine einzige Kugel genau auf den Hinterkopf seines Ziels.
Die in der Menge vorn standen, sahen die Kugel aus dem linken Auge des Diktators hervorkommen, und es folgte einer jener Augenblicke in der Geschichte von der Art, da die ganze Erde scheinbar stillsteht, da Herzen aussetzen und da sich sogar die Leute, die dem Mann, der schon tot war, gerade noch ihre Loyalität zugeschrien hatten, später nur an die Stille erinnern würden.
Der Oberst machte sich keine Gedanken um einen zweiten Schuß.
Ein hervorragender Scharfschütze, der nahezu jeden Tag mit seinen Kameraden trainierte, hatte er mit seinen hellwachen, starren Augen den Einschlag der Kugel gesehen. Er wandte sich nicht um und verschwendete keine Zeit mit fruchtlosen Bemühungen, sich zu verteidigen. Es lag kein Sinn darin, Kameraden zu töten, mit denen er Schnaps getrunken und Kinder geschändet hatte. Das würden bald andere besorgen. Er lächelte nicht einmal, wenn es auch witzig schien, daß Schnauzbart in einem Moment auf den Platz voller Leute schaute, die er wegen ihres grenzenlosen Jubels für ihn verachtete - im nächsten Allah ins Angesicht sah und sich fragte, was geschehen war. Dieser Gedanke hatte vielleicht zwei Sekunden Zeit, sich zu bilden, bevor er in seinem Körper den Einschlag der ersten Kugel spürte. Schmerz gab es nicht. Zu stark war er auf sein Ziel konzentriert, das jetzt flach auf den Steinen des Vorbaus lag, die Blutlache aus dem zertrümmerten Kopf schon verlaufend. Weitere Kugeln trafen ihn, und in seinen letzten Sekunden betete er zu Allah, bat um Vergebung und Verständnis, daß alle seine Verbrechen im Namen Gottes und seiner Gerechtigkeit begangen wurden. Ganz zuletzt vernahmen seine Ohren den Nachhall vom Geschrei des Mobs, der noch nicht begriffen hatte, daß sein Führer tot war.
*
»Ja, bitte?« Ryan schaute auf die Uhr. Verdammt, die zusätzlichen vierzig Minuten Schlaf hätten mir sicher gutgetan.
»Mr. President, hier spricht Major Canon, Marine Corps«, verkündete die unbekannte Stimme.
»Schön, Major, wer sind Sie, und was wollen Sie?« Jack blinzelte und vergaß, höflich zu sein, aber vermutlich würde der Offizier das verstehen.
»Sir, ich bin wachhabender Kommunikationsoffizier. Wir haben einen Bericht höchster Glaubwürdigkeit, daß auf den Staatspräsidenten des Irak vor etwa zehn Minuten ein Attentat verübt wurde.«
»Quelle?« fragte Jack sofort.
»Kuwait und Saudi-Arabien, Sir. Im irakischen Fernsehen war es live zu sehen, bei irgendeiner Veranstaltung. Wir haben Leute dort, die deren Fernsehprogramme ständig verfolgen. Eine Aufzeichnung davon wird uns gerade übermittelt. Nach dem ersten Bericht war es ein Schuß aus einer Pistole direkt in den Kopf, geringe Entfernung.« Die Stimme des Offiziers klang nicht sehr bedauernd. Endlich haben sie den Scheißkerl erwischt! Natürlich konnte man dem Präsidenten das nicht ganz so sagen.
Und man mußte herausfinden, wer >sie< waren.
»Okay, Major, was weiter?« Die Antwort kam prompt, und dann legte Ryan wieder auf.
»Was war denn?« wollte Cathy wissen. Ehe Jack Antwort gab, schwang er sich aus dem Bett.
»Der Präsident des Irak ist soeben
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