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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Sprüchlein nicht mehr anzuhängen brauchte.
    Vor ihrem Besuch hatte Rachel nicht bedacht, daß das Zusammentreffen mit Sahlah sie noch mehr deprimieren könnte als die letzten Wochen des Schweigens. Sie hatte die Zukunft als eine Art logische Schlußfolgerung gesehen: Sahlahs Verlobter war tot, Sahlah lebte, folglich konnte Sahlah ihren Platz als Rachels beste Freundin und liebste zukünftige Gefährtin wieder einnehmen. Doch anscheinend sollte das nicht sein.
    Rachel war übel. Ihr schwamm der Kopf. Nach allem, was sie getan hatte! Nach allem, was sie wußte, nach allem, was sie gehört und getreulich für sich behalten hatte, weil man das als beste Freundin tat ...
    »Ich möchte, daß du ihn behältst.« Rachel bemühte sich um einen Ton, der dem Besuch in einem Haus, das vom Tod heimgesucht worden war, angemessen war. »Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, daß es mir schrecklich leid tut - ich meine - äh - dein Verlust.«
    »Rachel«, sagte Sahlah leise, »bitte hör auf.«
    »Ich verstehe, wie traurig du sein mußt. Du hast ihn zwar nur kurze Zeit gekannt, aber sicher hast du ihn in dieser Zeit liebengelernt. Denn -« Sie hörte selbst, wie ihre Stimme scharf wurde. Gleich würde sie schrill werden. »Denn ich weiß ja, daß du niemals einen Mann heiraten würdest, den du nicht liebst, Sahlah. Du hast immer gesagt, daß du das nie im Leben tun würdest. Folglich muß es doch so gewesen sein, daß dein Herz Haytham auf den ersten Blick zugeflogen ist. Und als er seine Hand auf deinen Arm gelegt hat - seine klamme, feuchte Hand -, da hast du gewußt, daß er der Richtige ist. So war es doch, oder? Und deswegen bist du jetzt so am Boden zerstört.«
    »Ich weiß, daß es für dich schwer zu verstehen ist.«
    »Nur scheinst du gar nicht so am Boden zerstört. Wenigstens nicht Haythams wegen. Wie kommt das wohl? Fragt sich dein Vater das auch?«
    Sie sagte Dinge, die sie gar nicht sagen wollte. Es war, als hätte ihre Stimme sich selbständig gemacht und als hätte sie keine Macht, sie unter Kontrolle zu bringen.
    »Du weißt überhaupt nicht, was in mir vorgeht«, sagte Sahlah leise, aber doch beinahe heftig. »Du willst mich mit deinen Maßstäben messen, aber das geht nicht, sie sind anders als meine.«
    »So, wie ich anders bin als du«, fügte Rachel hinzu, und ihr Ton war bitter. »Richtig?«
    Sahlahs Stimme wurde weich. »Wir sind Freundinnen, Rachel. Wir sind immer Freundinnen gewesen und werden es immer bleiben.«
    Die Beteuerung schmerzte Rachel mehr als jede Zurückweisung es getan hätte. Sie wußte, daß diese Erklärung eben nicht mehr als eine Erklärung war. Sie mochte wahr sein, ein Versprechen war sie nicht.
    Rachel griff in die Brusttasche ihrer Bluse und zog die zerknitterte Broschüre heraus, die sie seit mehr als zwei Monaten mit sich herumtrug. Sie hatte sie sich so oft angesehen, daß sie die Bilder und den begleitenden Werbetext über die Clifftop Snuggeries, eine neuerbaute Wohnanlage mit Zwei- und Dreizimmerwohnungen, auswendig kannte. Die Häuser standen an der South Promenade, direkt über dem Meer. Je nachdem, für welchen Wohnungstyp man sich entschied, hatte man entweder Balkon oder Terrasse, aber eine Aussicht hatten alle Wohnungen zu bieten: entweder auf Balfords Vergnügungspier im Norden oder auf die endlose graugrüne Weite des Meeres im Osten.
    »Das sind die Wohnungen.« Rachel entfaltete den Prospekt. Sie versuchte nicht, ihn an Sahlah weiterzureichen, weil sie instinktiv wußte, daß diese ihn nicht nehmen würde. »Ich habe genug Geld für die Anzahlung gespart. Ich könnte das übernehmen.«
    »Rachel, kannst du nicht mal versuchen, dich in meine Welt hineinzudenken?«
    »Ich meine, ich möchte das übernehmen. Ich würde dafür sorgen, daß dein Name - genau wie meiner - auf die Urkunde kommt. Du müßtest jeden Monat nur einen bestimmten Betrag bezahlen, ungefähr -«
    »Das kann ich nicht.«
    »Doch, du kannst«, widersprach Rachel. »Du glaubst nur, daß du es nicht kannst, weil du so erzogen worden bist. Aber du brauchst doch nicht den Rest deines Lebens so zu leben. Das tut sonst auch keiner.«
    Der ältere der beiden kleinen Jungen wurde unruhig und wimmerte im Schlaf. Sahlah ging zu ihm. Die Kinder waren beide nicht zugedeckt - es war viel zu warm dafür im Zimmer -, so daß keine Decken zurechtgezogen werden mußten. Sahlah strich mit der Hand leicht über die Stirn des Kleinen. Er drehte sich im Schlaf herum und reckte den Po in die Höhe.
    »Rachel«, sagte

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