09 - Denn sie betrügt man nicht
schlaff zu werden, und die zweite Schwangerschaft hatte ihrer Haut die Elastizität geraubt und ihren stämmigen Körper zulegen lassen. Wenn sie an ihrer Absicht festhielt, ihrem Mann jedes Jahr ein Kind zu bescheren, wäre sie in fünf Jahren wahrscheinlich so breit wie hoch.
Sie drehte ihren Zopf auf dem Kopf zusammen und befestigte ihn dort mit einer Haarnadel, die sie vom Nachttisch nahm. »Fang an«, sagte sie.
Sahlah goß etwas Öl in ihre Hände und rieb sie aneinander, um es zu wärmen. Es war ihr unangenehm, die Haut ihrer Schwägerin berühren zu müssen, doch als Ehefrau ihres ältesten Bruders hatte Yumn das Recht, Sahlah Aufträge zu geben und zu erwarten, daß sie ohne Widerrede ausgeführt wurden.
Sahlahs Heirat hätte der Herrschaft Yumns über sie ein Ende bereitet, nicht nur, weil sie dann ebenfalls eine verheiratete Frau gewesen wäre, sondern auch, weil sie mit der Heirat das Haus ihres Vaters verlassen hätte und Yumns Knute damit entronnen wäre. Und im Gegensatz zu Yumn, die sich trotz all ihrer Herrschsüchtigkeit der Schwiegermutter unterwerfen mußte, in deren Haus sie lebte, hätte Sahlah mit Haytham allein gelebt, wenigstens so lange, bis er seine Familie aus Pakistan hätte nachkommen lassen. Nichts von alledem würde jetzt geschehen. Sie war eine Gefangene, und jeder in dem Haus in der Second Avenue - ausgenommen ihre zwei kleinen Neffen - war ihr Kerkermeister.
»Das tut gut«, meinte Yumn seufzend. »Meine Haut muß glänzen. Das gefällt deinem Bruder. Das erregt ihn. Und wenn er erregt ist ...« Sie lachte gurrend. »Männer. Was für Kinder! Die Ansprüche, die sie haben! Die Wünsche! Wie schwer sie uns das Leben machen können, nicht? Füllen uns den Bauch mit Kindern. Gerade haben wir einen Sohn geboren, will der Vater schon den nächsten. Was für ein Glück für dich, daß du diesem elenden Schicksal entronnen bist, bahin.« Ihre Lippen verzogen sich wie in geheimer Erheiterung.
Sahlah erkannte genau - was ja auch Zweck der Übung war -, daß ihre Schwägerin gar nicht mit ihrem Schicksal haderte. Im Gegenteil, sie sonnte sich im Glanz ihrer Gebärfreudigkeit und nutzte diese nach Kräften aus: um zu bekommen, was sie wollte, um zu tun, was ihr beliebte, um zu manipulieren und zu fordern. Was hatte ihre Eltern bewogen, ihrem einzigen Sohn eine solche Ehefrau auszuwählen? fragte sich Sahlah. Gewiß, Yumns Vater hatte Geld, und ihre großzügige Mitgift hatte viele Neuerungen in der Familienfirma Malik ermöglicht, aber es mußten doch andere geeignete Frauen zu haben gewesen sein, als die Eltern Malik es für an der Zeit gehalten hatten, ihrem Sohn eine Frau zu suchen. Und wie brachte Muhannad es über sich, diese Frau anzufassen? Ihr Körper war teigig und ihr Geruch scharf.
»Sag mir die Wahrheit, Sahlah«, murmelte Yumn, wohlig die Augen schließend, während Sahlah ihre Muskeln knetete, »bist du froh? Du kannst es mir ruhig sagen. Ich werde Muhannad kein Wort verraten.«
»Worüber soll ich froh sein?« Sahlah griff nach dem Öl und goß ein paar Tropfen in ihre Handfläche.
»Daß du der Pflicht entronnen bist, deinem Ehemann Söhne und deinen Eltern Enkel zu bescheren.«
»Ich habe gar nicht daran gedacht, meinen Eltern Enkel zu bescheren«, erwiderte Sahlah. »Das erledigst du doch glänzend.«
Yumn lachte. »Ich kann es nicht fassen, daß sich seit Bishrs Geburt noch nichts getan hat. Muhannad braucht mich normalerweise nur anzurühren, und schon am nächsten Morgen bin ich schwanger. Und was für Söhne wir zusammen produzieren! Was für ein Mann Muhannad ist.«
Yumn drehte sich auf den Rücken. Sie umschloß ihre schweren Brüste mit den Händen und hob sie an. Die Warzenhöfe waren groß wie Untertassen und dunkel wie das Eisenvitriol vom Nez.
»Sieh dir an, was Schwangerschaften aus einem Frauenkörper machen, bahin. Welch ein Glück für dich, dem entronnen zu sein und schlank und unberührt bleiben zu können.« Sie machte eine träge Handbewegung. »Sieh dich an. Keine Krampfadern, keine Schwangerschaftsstreifen, keine Schwellungen oder Wehwehchen. So jungfräulich, Sahlah. Du bist so schön, daß ich mich fragen muß, ob du wirklich heiraten wolltest. Wahrscheinlich nicht. Du wolltest mit Haytham Querashi nichts zu tun haben. Richtig?«
Sahlah zwang sich, dem herausfordernden Blick ihrer Schwägerin zu begegnen. Ihr Herz klopfte so heftig, daß sie das Gefühl hatte, alles Blut werde ihr ins Gesicht getrieben. »Soll ich weitermassieren?« fragte
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