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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich furchtbar gestritten.«
    Was für eine Schlange, dachte Barbara. Dieser Frau sollte man mal kräftig eins über den Schädel geben. Sie war ziemlich sicher, daß es im Haus mehr als eine Person gab, die das gern getan hätte. Na schön, dieses hinterhältige Spiel konnten auch zwei spielen. Barbara sagte: »Haben Sie einen chador, Mrs. Malik?«
    Yumn, die gerade neue Wellen für ihre Jungen produzieren wollte, hielt inne. »Einen chador?« wiederholte sie. »Wie merkwürdig. Wie kommen Sie auf eine solche Frage?«
    »Nun, Sie sind doch ziemlich traditionell gekleidet. Es hätte mich nur interessiert. Das ist alles. Gehen Sie viel aus? Machen Sie abends bei Freunden Besuche? Vielleicht in diesem oder jenem Hotel, um einen Kaffee zu trinken? Allein, meine ich. Und wenn Sie das tun, tragen Sie dann einen chador? In London sieht man sie ja überall. Aber ich kann mich nicht erinnern, hier draußen einen gesehen zu haben.«
    Yumn griff nach einem großen Plastikkrug, der neben der Wanne auf dem Boden stand. Sie zog den Stöpsel der Wanne heraus und füllte den Krug mit Wasser aus dem Hahn. Sie begann das Wasser über die Jungen zu gießen, die laut kreischten und sich schüttelten wie junge Hunde. Sie gab Barbara keine Antwort, sondern konzentrierte sich ganz darauf, die beiden Kinder gründlich abzuspülen und danach in große weiße Badetücher zu wickeln. Sie hob einen Jungen auf jede ihrer Hüften, wandte sich zur Tür und sagte zu Barbara: »Kommen Sie mit.«
    Doch sie kehrte nicht in das Zimmer der Jungen zurück, sondern ging zum anderen Ende des Korridors, zu einem Zimmer, das im rückwärtigen Teil des Hauses lag. Die Tür war geschlossen. Sie öffnete sie mit einer herrischen Geste und bedeutete Barbara einzutreten.
    Es war ein kleines Zimmer, ein schmales Bett stand an einer Wand, eine Kommode und ein Tisch an der anderen. Das Rautenglasfenster war offen, man konnte den Garten sehen und jenseits des Gartens eine Backsteinmauer mit einer Pforte, die in einen gepflegten Obstgarten führte.
    »Das ist das Bett«, bemerkte Yumn in einem Ton, als handelte es sich um einen Ort höchster Schande. »Und Haytham hat gewußt, was hier vorging.«
    Barbara wandte sich vom Fenster ab, jedoch ohne das Bett weiter zu beachten. Sie wollte gerade sagen: »Und wir wissen beide, daß Haytham Querashi davon erfahren hat, nicht wahr, Verehrteste«, als sie bemerkte, daß der Tisch auf der anderen Seite des Zimmers eine Art Werkbank zu sein schien. Neugierig trat sie näher.
    Yumn sprach derweilen weiter. »Sie können sich vorstellen, wie Haytham zumute war, als er hören mußte, daß seine zukünftige Frau - die ihm von ihrem Vater als rein und züchtig präsentiert worden war - kaum mehr wert war als eine gemeine ... Nun, meine Ausdrucksweise ist vielleicht ein wenig zu stark. Aber nicht stärker als meine Gefühle.«
    »Hm«, machte Barbara nur. Sie betrachtete drei Miniaturkommoden, in deren Schubladen Perlen, Münzen, Muscheln, Steine, Eisenvitriolsplitter und andere kleine Dinge, die als Schmuck dienen konnten, geordnet waren.
    »Wir Frauen geben unsere Kultur weiter«, erklärte Yumn. »Unsere Aufgabe ist es nicht nur, die Rolle der Frau und Mutter zu erfüllen, sondern auch, den Töchtern, die uns nachfolgen, Vorbilder der Tugend zu sein.«
    »Ja. Natürlich«, sagte Barbara. Neben den drei Kommödchen war ein Gestell mit verschiedenen Werkzeugen: kleine Schraubenschlüssel, Bohrer, spitze Zangen, Scheren, zwei Drahtscheren.
    »Und wenn eine Frau bei diesen Aufgaben versagt, bringt sie Schande über sich selbst, ihren Mann und ihre Familie. Sahlah wußte das. Sie wußte, was sie erwartete, wenn Haytham ihre Verlobung lösen und seine Gründe dafür bekanntgeben würde.«
    »Ich verstehe. Ja«, sagte Barbara. Und neben dem Gestell mit den Werkzeugen lag eine Reihe großer Spulen.
    »Kein Mann hätte sie danach mehr gewollt. Wenn sie nicht ganz aus der Familie ausgestoßen worden wäre, so wäre sie wie eine Gefangene gehalten worden. Wie eine Sklavin. Sie hätte jedem zu Diensten sein müssen.«
    »Ich muß mit Ihrem Mann sprechen, Mrs. Malik«, sagte Barbara und legte ihre Hand auf die Kostbarkeit, die sie soeben entdeckt hatte.
    Unter den Spulen, die mit feinen Kettchen, Nylonfaden und bunten Schnüren umwickelt waren, befand sich eine mit sehr feinem Draht, der sich zweifellos bestens als Stolperdraht eignete, um einen Ahnungslosen in der Finsternis oben auf dem Nez in den Tod zu stürzen.
    Bingo, dachte sie. Es war

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