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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Er reizte sie.
    »Sagen Sie ihm, alles zu seiner Zeit«, antwortete Emily. Und dann ging sie, um Barbara aufzustöbern.
    Yumn griff Barbaras Interesse an dem Arbeitsplatz in Sahlahs Zimmer auf. »Das ist ihr Schmuck, so nennt sie es jedenfalls«, bemerkte sie. »Ich nenne es ihren Vorwand dafür, ihre Pflichten zu vernachlässigen.«
    Sie trat neben Barbara an den Tisch und zog vier der Schubladen aus dem Kommödchen heraus. Sie leerte Münzen und Perlen auf den Tisch und stellte Anas auf den Stuhl davor. Er war sofort hellauf begeistert von dem bunten, glänzenden Krimskrams, zog gleich die nächste Schublade heraus und verstreute ihren Inhalt unter den Münzen und Perlen, die seine Mutter ihm bereits hingeworfen hatte. Lachend sah er zu, wie die kleinen bunten Perlen und Kugeln über den Tisch rollten und sprangen. Vorher waren sie sorgsam nach Größe, Farbe und Beschaffenheit geordnet gewesen. Jetzt lagen sie in hoffnungslosem Durcheinander. Sie neu zu sortieren würde einen langen Abend kosten.
    Yumn hinderte ihren Sohn nicht daran, weitere Schubladen auszuleeren. Sie ermutigte ihn eher noch, indem sie ihm lächelnd das Haar zauste und sagte: »Die Farben gefallen dir, nicht wahr, mein Schöner? Kannst du deiner Ammi-gee sagen, was für Farben das sind? Das hier ist Rot, Anas. Siehst du Rot?«
    Barbara sah nur noch rot. »Mrs. Malik«, sagte sie, »um noch mal auf Ihren Mann zurückzukommen. Ich hätte ihn gern gesprochen. Wo kann ich ihn erreichen?«
    »Wozu wollen Sie mit meinem Mann sprechen? Ich habe Ihnen doch schon gesagt -«
    »Und ich habe mir jedes Wort, das Sie in den letzten vierzig Minuten gesprochen haben, unauslöschlich eingeprägt. Aber ich muß noch ein oder zwei Fragen bezüglich Mr. Querashis Tod mit ihm klären.«
    Yumn, die sich bisher damit vergnügt hatte, mit dem Haar ihres Sohnes zu spielen, wandte sich jetzt Barbara zu. »Ich habe Ihnen gesagt, daß er mit Haythams Tod nichts zu tun hat. Sie sollten mit Sahlah sprechen, nicht mit ihrem Bruder.«
    »Dennoch -«
    »Es gibt kein ›dennoch‹!« Yumns Stimme wurde lauter. Zwei rote Flecken erschienen auf ihren Wangen. Sie hatte ihr honigsüßes Ehefrau- und Mutter-Getue abgelegt und war plötzlich knallhart.
    »Ich habe Ihnen gesagt, daß Sahlah und Haytham Streit hatten. Ich habe Ihnen gesagt, was sie nachts getrieben hat. Ich denke doch, daß Sie imstande sind, auch ohne meine Hilfe zwei und zwei zusammenzuzählen. Mein Mann«, schloß sie mit Nachdruck, »ist ein Mann unter Männern. Und Sie haben keinerlei Anlaß, mit ihm zu sprechen.«
    »Na gut«, sagte Barbara. »Danke, daß Sie sich die Zeit genommen haben. Ich finde selbst hinaus.«
    Yumn verstand, was Barbara mit ihren Worten sagen wollte. Noch einmal sagte sie mit Nachdruck: »Sie haben keinen Anlaß, mit ihm zu sprechen.«
    Barbara drängte sich an ihr vorbei. Sie ging in den Korridor hinaus. Yumns Stimme folgte ihr.
    »Sie haben sich ja schön von ihr einwickeln lassen. Genau wie alle anderen. Sie wechseln genau fünf Worte mit dem kleinen Luder, und das einzige, was Sie sehen, ist ein liebes kleines Unschuldslamm. So still. So sanft. Sie würde doch keiner Fliege was zuleide tun. Sie ziehen sie überhaupt nicht in Betracht. Und sie kommt ungestraft davon.«
    Barbara stieg die ersten Stufen der Treppe hinunter.
    »Die kann sich doch alles leisten, diese Hure. Ja, Hure! Nimmt den Kerl mit in ihr Zimmer, in ihr Bett, und alle glauben ihrem frommen Getue. Aber fromm war sie nie. Und auch nicht rein oder züchtig oder pflichtbewußt oder gut.«
    Barbara hatte die Tür erreicht. Sie griff nach dem Knauf. Aus dem ersten Stock schrie Yumn herunter: »Er war bei mir.«
    Barbara erstarrte mitten in der Bewegung. Sie brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten. Dann drehte sie sich um. »Was?«
    Mit ihrem jüngeren Sohn auf dem Arm kam Yumn die Treppe herunter. Ihr Gesicht war bleich bis auf zwei brennendrote Flecken auf den Wangenknochen. Ihr Wanderauge verlieh ihrem Ausdruck etwas Irres. Der Eindruck wurde noch durch den Ton ihrer Stimme verstärkt, als sie sagte: »Ich sage Ihnen das, was Sie von Muhannad hören werden. Ich erspare Ihnen die Mühe, ihn suchen zu müssen. Darum geht es Ihnen doch, oder nicht?«
    »Was wollen Sie sagen?«
    »Ich will sagen, daß Muhannad mit Haytham Querashis Tod nichts zu tun hat, falls Sie das glauben sollten. Er kann gar nichts damit zu tun gehabt haben. Er war Freitag abend bei mir. Er war oben in unserem Zimmer. Wir waren zusammen. Wir

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