09 - Denn sie betrügt man nicht
ernst nehmen.
»Ich habe keine Ahnung, welcher ethnischen Gruppe er angehört. Wir können keine Wünsche äußern.«
»Und wie weit sind die Ermittlungen inzwischen fortgeschritten?« Taymullah Azhar hatte eine besondere Art zu sprechen, höflich, ohne ehrerbietig zu sein. Emily fragte sich, wie er das schaffte. Sie fragte sich auch, was sich hinter seiner ausdruckslosen Miene verbarg.
»Der Tatort wurde sofort abgesperrt, nachdem festgestellt worden war, daß der Verdacht auf ein Verbrechen bestand«, antwortete Emily.
»Und welches ist der Tatort?«
»Der alte Bunker am Fuß des Nez.«
»Steht denn fest, daß er in dem alten Bunker gestorben ist?«
Azhar war auf Draht. Emily konnte nicht umhin, das zu bewundern. »Fest steht im Moment noch gar nichts, abgesehen von der Tatsache, daß er tot ist und -«
»- und die Polizei sechs Stunden gebraucht hat, um wenigstens das festzustellen«, warf Muhannad ein. »Aber wehe, der Tote wäre ein Weißer gewesen - da hätte man den Bobbys ganz schön Feuer unter ihrem rosa Hintern gemacht.«
»- und es scheint sich, genau wie die asiatische Gemeinde vermutete, um Mord zu handeln«, endete Emily.
Sie wartete auf Maliks Reaktion. Er hatte »Mord« geschrien, seit man die Leiche vor vierunddreißig Stunden gefunden hatte. Sie wollte ihm seinen Moment des Triumphs nicht verweigern.
Er nahm ihn sich sofort. »Hab' ich es doch gesagt«, erklärte er. »Und wenn ich Ihnen nicht seit gestern vormittag ständig auf die Finger gesehen hätte, hätten Sie wahrscheinlich von einem bedauerlichen Unglücksfall gesprochen.«
Emily wappnete sich innerlich. Ein Streit war genau das, worauf der Asiate es abgesehen hatte. Eine wütende Auseinandersetzung mit der Beamtin, die die Ermittlungen leitete, würde auf seine Anhänger wie ein Schlachtruf wirken. Ein sachliches Gespräch, bei dem es nur um die Fakten ging, wäre weit weniger nützlich. Anstatt auf seine herausfordernde Bemerkung einzugehen, sagte sie deshalb zu Taymullah Azhar: »Die Spurensicherung hat gestern etwa acht Stunden lang den Tatort genau untersucht. Alles, was an Material gefunden wurde, ist inzwischen zur Analyse im Labor.«
»Und wann kann man Ergebnisse erwarten?«
»Wir haben darum ersucht, dem Fall erste Priorität einzuräumen.«
»Wie ist Haytham gestorben?« warf Muhannad ein.
»Mr. Malik, ich habe bereits in zwei Telefongesprächen versucht, Ihnen zu erklären, daß -«
»Sie erwarten doch von mir nicht, daß ich Ihnen glaube, Sie wüßten immer noch nicht, wie Querashi getötet worden ist? Ihr Arzt hat die Leiche gesehen. Sie haben am Telefon zugegeben, daß Sie selbst sie ebenfalls gesehen haben.«
»Ein Blick von außen offenbart gar nichts«, erklärte Emily. »Ihr Vater wird Ihnen das bestätigen können. Er hat den Toten identifiziert, und ich denke, er tappt so sehr im dunkeln wie wir.«
»Gehen wir recht in der Annahme, daß keine Schußwaffe gebraucht wurde?« fragte Azhar ruhig. »Und auch kein Messer, kein Draht oder Strick? Solche Waffen hätten ja am Körper des Toten Spuren hinterlassen.«
»Mein Vater hat gesagt, daß er nur eine Seite von Haythams Gesicht gesehen hat«, bemerkte Muhannad und erläuterte, was seine Worte schon angedeutet hatten, indem er hinzufügte: »Mein Vater hat gesagt, er durfte nur eine Seite des Gesichts sehen. Die Leiche war mit einem Tuch zugedeckt, das ganze fünfzehn Sekunden lang bis zum Kinn aufgeschlagen wurde. Und das war alles. Was haben Sie zu verbergen, Inspector?«
Aus einem Krug, der auf dem Tisch hinter ihrem Schreibtisch stand, goß Emily sich Wasser ein. Sie bot den Männern davon an. Beide lehnten ab, was ihr ganz recht war, da sie das letzte Wasser genommen hatte und wenig Lust verspürte, einen frischen Krug holen zu lassen. Sie trank durstig, aber das Wasser hatte einen metallischen Geschmack und hinterließ ein unangenehmes Gefühl auf der Zunge.
Sie habe nichts zu verbergen, erklärte sie den beiden Asiaten, weil es in diesem frühen Ermittlungsstadium ganz einfach nichts zu verbergen gäbe. Ersten Feststellungen zufolge sei der Tod Freitag nacht zwischen einundzwanzig Uhr dreißig und null Uhr dreißig eingetreten. Dem Pathologen zufolge war Mr. Querashi keines natürlichen Todes gestorben und hatte auch nicht selbst Hand an sich gelegt. Aber genauere - »Augenwischerei!« rief Muhannad, als könnte das die einzige logische Folgerung aus ihren Worten sein. »Sie können mit Bestimmtheit sagen, daß es kein Selbstmord war und auch
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