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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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oben gefiel es ihm besser als im beengten Frachtraum des Schiffes. Die Luft war frisch, und die Geräusche des Flusses waren angenehmer als Entes Schnarchen. Allerdings musste er für diese Annehmlichkeiten einen Preis bezahlen; das Deck war hart, und er wachte steif und wund auf, oft mit Krämpfen in den schmerzenden Gliedern.
    Auch jetzt zuckten sie, seine Waden waren hart wie Holz. Er knetete sie mit den Fingern und versuchte, den Schmerz durch Reiben zu vertreiben, aber als er aufstand, schmerzten sie immer noch so stark, dass er das Gesicht verzog. Ich muss baden. Seine Kinderkleidung stank, und er ebenfalls. Die anderen badeten im Fluss, aber bisher hatte er sich nicht zu ihnen gesellt. Manche der Schildkröten, die er im seichten Wasser gesehen hatte, waren vermutlich groß genug, um ihn in der Mitte durchzubeißen. Knochenschnapper , nannte Ente sie. Außerdem wollte er sich nicht nackt vor Lemore zeigen.
    Eine Holzleiter führte von Kabinendach nach unten. Tyrion zog sich seine Stiefel an und stieg aufs Achterdeck hinunter, wo Greif in einen Wolfsfellmantel gehüllt neben einem Kohlenbecken aus Eisen saß. Der Söldner übernahm stets die Nachtwache und stand auf, wenn der Rest seiner Truppe ins Bett ging. Dafür legte er sich schlafen, wenn die Sonne aufging.
    Tyrion kauerte sich ihm gegenüber nieder und wärmte sich die Hände über der Glut. Am anderen Ufer sangen die Wassernachtigallen. »Bald tagt es«, sagte er zu Greif.
    »Nicht bald genug. Wir müssen weiterfahren.« Wenn es nach Greif gegangen wäre, würde die Scheue Maid auch nachts weiter flussabwärts fahren, aber Yandry und Ysilla weigerten sich, ihren Stakkahn den Risiken einer Fahrt im Dunkeln auszusetzen. Auf der Oberen Rhoyne wimmelte es von Baumstümpfen und Holzbohrern, und beides konnte leicht den Rumpf der Scheue Maid beschädigen. Greif wollte davon nichts hören. Er wollte nach Volantis.
    Die Augen des Söldners waren immer in Bewegung und suchten in der Nacht nach … was nur? Piraten? Steinmenschen? Sklavenfängern? Der Fluss barg Gefahren, das wusste der Zwerg, aber Greif erschien Tyrion als gefährlicher als jede von ihnen. Er erinnerte Tyrion an Bronn. Allerdings hatte Bronn den schwarzen Humor eines Söldners besessen. Greif verstand überhaupt keinen Spaß.
    »Ich würde töten für einen Becher Wein«, murmelte Tyrion.
    Greif antwortete nicht. Und wenn du verreckst, du bekommst nichts, schien der Blick aus seinen hellen Augen zu sagen. In der ersten Nacht an Bord der Scheue Maid hatte sich Tyrion bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Als er am nächsten Tag aufgewacht war, hatten Drachen in seinem Schädel gekämpft. Greif hatte ihn nur angesehen, als er sich über die Reling des Stakkahns ins Wasser übergab, und gesagt: »Ihr hört mit dem Trinken auf.«
    »Wein hilft mir beim Einschlafen«, hatte Tyrion protestiert. Wein ersäuft meine Träume, hätte er sagen können.
    »Dann bleibt Ihr eben wach«, hatte Greif unnachgiebig erwidert.
    Im Osten kroch das erste blasse Licht am Himmel über dem Fluss in die Höhe. Bald schimmerte das schwarze Wasser der Rhoyne blau, in der gleichen Farbe wie Haar und Bart des Söldners. Greif erhob sich. »Die anderen wachen bald auf. Das Deck gehört Euch.« Als die Nachtigallen verstummten, griffen die Flusslerchen das Lied auf. Silberreiher stolzierten durch das Schilf oder hinterließen ihre Spuren auf den Sandbänken. Die Wolken am Himmel leuchteten rosa und violett, braun und golden, perlmuttfarben und safrangelb. Eine sah aus wie ein Drache. Wenn man je einen Drachen im Fluge gesehen hat, so kann man getrost zu Hause bleiben und zufrieden seinen Garten pflegen, hatte einmal jemand geschrieben, denn ein größeres Wunder sucht man auf dieser weiten Welt vergebens. Tyrion kratzte sich an seiner Narbe und versuchte sich daran zu erinnern, wer das verfasst hatte. In letzter Zeit gingen ihm häufig Drachen durch den Sinn.
    »Guten Morgen, Hugor.« Septa Lemore war in ihren weißen Roben herausgekommen und band sich gerade ihren aus sieben Farben geflochtenen Gürtel um den Bauch. Ihr Haar wallte locker um die Schultern. »Hast du gut geschlafen?«
    »Schlecht, gute Frau. Ich habe wieder von Euch geträumt.« Einen Tagtraum. Er hatte nicht schlafen können, und so hatte er sich mit einer Hand zwischen den Beinen erleichtert. Dabei hatte er sich vorgestellt, wie die Septa auf ihm saß und wie ihre Brüste wippten.
    »Ein sündhafter Traum, ohne Zweifel. Du bist ein so sündhafter Mann.

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