09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
nicht wollen.«
»Vielleicht habe ich übertrieben. Sie könnte Mitleid für Euch empfinden, wenn Ihr sie um ihre Hand anfleht.« Der Zwerg zuckte mit den Schultern. »Wollt Ihr Euren Thron von der Laune einer Frau abhängig machen? Wenn Ihr aber nach Westeros geht … nun, dann seid Ihr ein Rebell, kein Bettler. Kühn und wagemutig, ein wahrer Spross des Hauses Targaryen, der in die Fußstapfen von Aegon dem Eroberer tritt. Ein Drache.
Ich habe Euch gesagt, ich kenne unsere kleine Königin. Wenn sie hört, dass der ermordete Sohn ihres Bruders Rhaegar noch lebt und dass dieser tapfere Junge das Drachenbanner ihrer Vorfahren einmal mehr in Westeros aufgepflanzt hat, dass er einen verzweifelten Krieg führt, um seinen Vater zu rächen und den Eisernen Thron für das Haus Targaryen zurückzuerobern und dabei von allen Seiten hart bedrängt wird, dann wird sie an Eure Seite fliegen, so schnell Wind und Wasser sie tragen können. Ihr seid der Letzte ihrer Linie, und diese Mutter der Drachen, diese Sprengerin der Ketten, ist vor allem eine Retterin. Das Mädchen, das die Städte der Sklavenhändler lieber in Blut ertränkte, statt Fremde in ihren Ketten gefangen zu lassen, wird wohl kaum den Sohn ihres eigenen Bruders in der Stunde höchster Not im Stich lassen. Und wenn sie Westeros erreicht und Euch zum ersten Mal begegnet, werdet Ihr und Daenerys Euch als Gleichgestellte gegenübertreten, als Mann und Frau, und nicht als Königin und Bittsteller. Wie könnte sie Euch dann nicht lieben, frage ich Euch?« Lächelnd nahm er seinen Drachen und ließ ihn über das Brett fliegen. »Ich hoffe, Euer Gnaden verzeihen. Euer König sitzt in der Falle. Tod in vier Zügen.«
Der Prinz starrte auf das Spielbrett. »Mein Drache …«
»… ist zu weit entfernt, um Euch zu retten. Ihr hättet sie in die Mitte der Schlacht rücken sollen.«
»Aber Ihr habt gesagt …«
»Ich habe gelogen. Vertraut niemandem. Und behaltet stets Euren Drachen in der Nähe.«
Der Junge Greif sprang auf und stieß das Brett um. Die Cyvasse -Figuren flogen in alle Richtungen, hüpften und rollten über das Deck der Scheue Maid . »Hebt sie auf«, befahl der Junge.
Vielleicht ist er doch ein echter Targaryen. » Wenn es Euer Gnaden gefällt.« Tyrion ließ sich auf Hände und Knie nieder, krabbelte herum und hob die Figuren auf.
Kurz vor der Abenddämmerung kehrten Yandry und Ysilla zur Scheue Maid zurück. Ein Träger folgte ihnen mit einer Schubkarre, auf der sich Vorräte türmten; Salz und Mehl, frische Butter, in Leinen eingeschlagener Speck, Säcke mit Orangen, Äpfeln und Pfirsichen. Yandry trug ein Weinfass auf der Schulter, Ysilla einen Hecht. Der Fisch war so groß wie Tyrion.
Als Ysilla den Zwerg am Ende der Laufplanke stehen sah, blieb sie so unvermittelt stehen, dass Yandry mit ihr zusammenstieß und der Hecht beinahe zurück in den Fluss gefallen wäre. Ente half ihr, ihn festzuhalten. Ysilla starrte Tyrion an und machte eine seltsam stechende Geste mit drei Fingern. Ein Zeichen, um das Böse zu abzuhalten. » Kann ich bei dem Fisch helfen?«, fragte er Ente.
»Nein«, fauchte Ysilla. »Bleib fort. Rühr nichts dem Essen an, außer dem, was du selbst isst.«
Der Zwerg hob beide Hände. »Zu Befehl.«
Yandry setzte das Weinfass auf den Tisch. »Wo ist Greif?«, wollte er von Haldon wissen.
»Er schläft.«
»Weckt ihn. Wir haben Neuigkeiten, die er hören sollte. In Selhorys reden alle nur von der Königin. Es heißt, sie säße immer noch in Meereen und werde von allen Seiten bedrängt. Wenn man dem Gerede auf den Märkten glauben schenken darf, wird sich Alt-Volantis bald dem Krieg gegen sie anschließen.«
Haldon spitzte die Lippen. »Auf das Geschwätz von Fischhändlern dürfen wir uns nicht verlassen. Trotzdem möchte Greif die Neuigkeiten sicherlich erfahren. Du weißt, wie er ist.« Der Halbmaester ging nach unten.
Das Mädchen hat sich überhaupt nicht nach Westen aufgemacht. Ohne Zweifel hatte sie gute Gründe dafür. Zwischen Meereen und Volantis lagen fünfzehnhundert Meilen Wüste, Berge, Sümpfe und Ruinen, dazu Mantarys mit seinem unheilvollen Ruf. Eine Stadt der Ungeheuer, heißt es, aber wenn sie über Land marschiert, wo soll sie sonst Wasser und Vorräte finden? Über das Meer ginge es schneller, aber wenn ihr die Schiffe fehlen …
Als Greif auf Deck erschien, brutzelte der Hecht bereits über dem Kohlenbecken, und Ysilla hockte über dem Fisch und beträufelte ihn mit Zitrone. Der Söldner trug sein
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