09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
Qhoran war eine schlingernde Badewanne von fünfhundert Tonnen, hatte einen tiefen Frachtraum, hohe Aufbauten an Bug und Heck und einen einsamen Mast dazwischen. Am Vorderdeck prangte eine groteske Galionsfigur, eine von Würmern zerfressene Eminenz mit einem Blick, als hätte sie Verstopfung, und einer Schriftrolle unter dem Arm. Ein so hässliches Schiff hatte Tyrion noch nie gesehen, und die Mannschaft war kaum schöner. Der Kapitän, ein gemeiner, hartherziger Mann mit kesselartigem Bauch und engstehenden, gierigen Augen, brachte kein gutes Wort über die Lippen, war ein schlechter Cyvasse -Spieler und ein noch schlechterer Verlierer. Unter ihm dienten vier Maate, allesamt Freigelassene, und fünfzig Sklaven, die an das Schiff gebunden waren, jeder mit einem eintätowierten, groben Abbild der Galionsfigur auf einer Wange. » Ohne-Nase «, nannten die Seeleute Tyrion gern, gleichgültig, wie oft er ihnen erklärte, dass sein Name Hugor Hügel war.
Drei der Maate und über drei Viertel der Mannschaft waren glühende Anhänger des Herrn des Lichts. Beim Kapitän war sich Tyrion nicht so sicher, denn der Mann kam zwar für die Abendandacht auf Deck, beteiligte sich ansonsten jedoch nicht an den Gebeten. Doch Moqorro war der wahre Herr an Bord der Selaesori Qhoran , zumindest für diese Reise.
» Herr des Lichts, segne deinen Sklaven Moqorro und erhelle seinen Weg durch die dunklen Orte der Welt«, donnerte der Priester. » Und beschütze deinen rechtschaffenen Sklaven Benerro. Schenke ihm Mut. Schenke ihm Weisheit. Erfülle sein Herz mit Feuer.«
In diesem Moment entdeckte Tyrion Hella, die den Mummenschanz von der steilen Holztreppe aus beobachtete, die vom Heck nach unten aufs mittlere Deck führte. Sie stand auf einer der unteren Stufen, daher war nur die Oberseite ihres Kopfes zu sehen. Unter der Kapuze funkelten die Augen groß und weiß im Licht des Nachtfeuers. Sie hatte ihren Hund dabei, den großen grauen Jagdhund, auf dem sie bei ihren lustigen Tjosten ritt.
»Mylady«, rief Tyrion leise. In Wahrheit war sie keine Lady, aber er konnte sich nicht überwinden, sie mit diesem dummen Namen anzusprechen, und » Mädchen « oder » Zwerg « wollte er sie auch nicht rufen.
Sie duckte sich. »Ich … ich habe Euch nicht bemerkt.«
»Nun, ich bin klein.«
»Ich … ich … fühle mich nicht wohl …« Ihr Hund bellte.
Krank vor Kummer, wohl eher. » Wenn ich irgendwie behilflich sein kann …«
»Nein.« Und damit war sie auch schon wieder verschwunden nach unten in ihre Kabine, die sie sich mit ihrem Hund und ihrem Schwein teilte. Tyrion konnte es ihr nicht verdenken. Die Mannschaft der Selaesori Qhoran hatte sich zunächst gefreut, als er an Bord gekommen war; schließlich brachte ein Zwerg Glück. Man hatte ihm so häufig und so kräftig den Kopf gerieben, dass er sich wunderte, dass er nicht kahl geworden war. Aber Hella hatte man mit gemischten Gefühlen empfangen. Sie war vielleicht ein Zwerg, aber auch eine Frau, und Frauen an Bord eines Schiffes beschworen Unglück herauf. Für jeden Mann, der ihr den Kopf rieb, gab es drei, die Verwünschungen murmelten, wenn sie vorbeiging.
Und mein Anblick muss Salz in ihre Wunden sein. Sie haben ihrem Bruder den Kopf abgehackt, weil sie hofften, es sei meiner, und ich sitze hier wie ein verfluchter Wasserspeier und habe ihr nur hohlen Trost anzubieten. An ihrer Stelle hätte ich nur einen Wunsch: mich ins Meer zu stoßen.
Er empfand Mitleid für das Mädchen. Die schrecklichen Erlebnisse, die sie in Volantis hatte durchmachen müssen, hatte sie nicht verdient, genauso wenig wie ihr Bruder. Als er sie zum letzten Mal gesehen hatte, kurz vor dem Auslaufen, hatte sie sich die Augen ausgeheult, es waren nur zwei scheußliche rote Löcher in ihrem blassen Gesicht geblieben. Während man das Segel setzte, schloss sie sich mit Hund und Schwein in ihrer Kabine ein, aber nachts konnte er sie weinen hören. Erst gestern hatte ein Maat gesagt, man solle sie lieber über Bord werfen, ehe ihre Tränen das Schiff überschwemmten. Tyrion war sich nicht sicher, ob der Mann nur gescherzt hatte.
Nachdem die Abendgebete beendet waren und sich die Mannschaft verstreut hatte, manche ihre Wache angetreten hatten und andere zum Essen oder Rumtrinken oder schlafen gegangen waren, blieb Moqorro wie an jedem Abend neben seinem Feuer stehen. Der Rote Priester schlief bei Tag, hielt Wache in der Nacht und hütete seine heiligen Flammen, damit die Sonne in der Morgendämmerung zu ihnen
Weitere Kostenlose Bücher