09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
Zwerg als Nächstes in die Kombüse. Die Schiffsküche, wo er die Mahlzeiten einnahm, war ein enger und unbequemer Raum, mit so niedriger Decke, dass sich die größeren Reisenden leicht die Köpfe stießen, eine Gefahr, die besonders den stämmigen Sklavensoldaten der Feurigen Hand drohte. So gern Tyrion darüber auch lachte, bevorzugte er es doch, allein zu essen. Er war es rasch leid gewesen, gedrängt an einem vollen Tisch mit Männern zu sitzen, deren Sprache er nicht verstand und die redeten und scherzten, während er selbst kein Wort verstand. Besonders da er sich stets fragte, ob die Witze und das Lachen nicht ihm galten.
In der Kombüse wurden auch die Bücher des Schiffs verwahrt. Da der Kapitän Bücher liebte, gab es drei an Bord: eine Sammlung von seemännischer Poesie mit schlechten und sehr schlechten Gedichten, einen zerlesenen Band über die erotischen Abenteuer einer jungen Sklavin in einem Kissenhaus in Lys, und den vierten, abschließenden Band einer Reihe über Das Leben des Triarchen Belicho , einen berühmten volantenischen Patrioten, dessen Leben nach einer ununterbrochenen Folge von Eroberungen und Triumphen eher abrupt endete, als er von Riesen verspeist wurde. Tyrion hatte alle Bücher bereits am dritten Tag auf See gelesen. Die Geschichte des Sklavenmädchens war am schlechtesten geschrieben, dafür jedoch am fesselndsten, und dieses Buch nahm er an diesem Abend mit, damit es ihm beim Essen beistand: rote Bete in Butter, kalter Fischeintopf und Zwieback, mit dem man hätte Nägel einschlagen können.
Er las gerade den Bericht des Mädchens über den Tag, als sie und ihre Schwester in die Hände von Sklavenhändlern geraten waren, als Hella in die Kombüse kam. »Oh«, sagte sie, »ich dachte … Ich wollte Mylord nicht stören, ich …«
»Du störst mich nicht. Aber ich hoffe, du willst mich nicht wieder umbringen.«
»Nein.« Sie wandte den Blick ab und wurde rot.
»In dem Falle würde ich etwas Gesellschaft schätzen. Es gibt wenig genug an Bord dieses Schiffes.« Tyrion schloss das Buch. »Komm. Setz dich. Iss.« Das Mädchen hatte die meisten Mahlzeiten unberührt vor der Kabinentür stehen gelassen. »Der Eintopf ist sogar beinahe genießbar. Wenigstens ist der Fisch frisch.«
»Nein, ich … ich habe mich einmal an einer Gräte verschluckt, seitdem kann ich keinen Fisch mehr essen.«
»Dann trink einen Schluck Wein.« Er füllte einen Becher und schob ihn ihr hin. »Mit besten Grüßen von unserem Kapitän. Schmeckt eher wie Pisse als Arborgold, um die Wahrheit zu sagen, aber selbst Pisse ist besser als dieser schwarze teerige Rum, den die Seeleute trinken. Vielleicht hilft er dir einzuschlafen.«
Das Mädchen machte keine Anstalten, den Becher zu nehmen. »Danke, Mylord, aber nein.« Sie wich zurück. »Ich sollte Euch nicht belästigen.«
»Willst du denn dein ganzes Leben lang davonlaufen?«, fragte Tyrion, ehe sie sich wieder hinausschleichen konnte.
Bei diesen Worten blieb sie stehen. Ihre Wangen nahmen ein helles Rosa an, und er fürchtete schon, sie würde wieder anfangen zu weinen. Stattdessen schob sie trotzig den Mund vor. »Ihr lauft auch davon.«
»Wohl wahr«, räumte er ein, »aber ich habe dabei ein Ziel und du nicht. Das ist ein großer Unterschied.«
»Wir hätten niemals davonlaufen müssen, wenn Ihr nicht gewesen wäret.«
Es braucht schon Mut, mir das ins Gesicht zu sagen. » Meinst du King’s Landing oder Volantis?«
»Beides.« In ihren Augen glitzerten Tränen. »Alles. Warum konntet Ihr nicht einfach mit uns tjostieren, so wie es der König gewollt hat. Es hätte Euch nicht wehgetan. Was hätte es Euch gekostet, Mylord, auf unseren Hund zu steigen und einmal mit uns zu reiten, um dem Jungen eine Freude zu bereiten? Es ging doch nur um ein wenig Spaß. Sie hätten gelacht, mehr nicht.«
»Sie hätten über mich gelacht«, sagte Tyrion. Stattdessen habe ich sie dazu gebracht, über Joffrey zu lachen. Und war das nicht eine kluge List?
»Mein Bruder sagt, es sei eine gute Sache, die Menschen zum Lachen zu bringen. Eine edle Sache, und sehr ehrenwert. Mein Bruder sagt … er …« Jetzt lösten sich die Tränen und rannen ihr über das Gesicht.
»Es tut mir leid wegen deines Bruders.« Das Gleiche hatte er ihr schon in Volantis gesagt, aber damals war sie in ihrer Trauer so außer sich gewesen, dass sie es vermutlich nicht gehört hatte.
Jetzt hatte sie es gehört. »Leid. Es tut Euch leid.« Ihre Lippen zitterten, ihre Wangen waren nass, ihre
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