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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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plötzlich wieder zurück in Winterfell, im Götterhain, wo er auf seinen Vater heruntersah. Lord Eddard wirkte diesmal wesentlich jünger. Sein Haar war braun und zeigte noch keinen Schimmer von Grau. Er beugte den Kopf. »… lasst sie aufwachsen und einander so nahestehen wie Brüder, und möge nur Liebe zwischen ihnen herrschen«, betete er, »und möge meine Hohe Gemahlin in ihrem Herz die Kraft finden, mir zu vergeben …«
    »Vater.« Brans Stimme war nur ein Wispern im Wind, ein Rascheln im Blatt. »Vater, ich bin es. Bran. Brandon.«
    Eddard Stark hob den Kopf und sah den Wehrholzbaum lange stirnrunzelnd an. Er kann mich nicht sehen, begriff Bran verzweifelt. Er wollte die Hand ausstrecken und ihn berühren, doch er konnte lediglich zuschauen und zuhören. Ich bin in dem Baum. Ich bin in dem Herzbaum und sehe durch seine roten Augen hinaus, aber das Wehrholz kann nicht sprechen und ich also auch nicht.
    Eddard Stark setzte sein Gebet fort. Bran spürte, wie ihm die Tränen in die Augen traten. Aber waren es seine eigenen Tränen oder die des Wehrholzbaums? Wenn ich weine, wird der Baum dann anfangen zu weinen?
    Der Rest der Worte seines Vaters ging in einem plötzlichen hölzernen Klappern unter. Eddard Stark löste sich auf wie Dunst in der Morgensonne. Jetzt tanzten zwei Kinder durch den Götterhain und johlten, während sie sich mit abgebrochenen Ästen duellierten. Das Mädchen war die ältere und größere der beiden. Arya!, dachte Bran, während er zuschaute, wie sie auf einen Fels sprang und nach dem Jungen schlug. Aber das konnte nicht stimmen. Wenn das Mädchen Arya war, musste der Junge Bran selbst sein, doch er hatte sein Haar nie so lang getragen. Und Arya hat mich niemals beim Schwertspiel geschlagen, so wie dieses Mädchen auf den Jungen hier einhackte. Sie schlug dem Jungen auf den Schenkel, und zwar so hart, dass sein Bein unter ihm einknickte und er in den Tümpel fiel, wo er schreiend herumplanschte. »Sei still, Dummkopf«, sagte das Mädchen und warf seinen Ast zur Seite. »Ist doch nur Wasser. Soll Old Nan uns hören und alles Vater erzählen?« Sie kniete und zog ihren Bruder aus dem Tümpel. Doch ehe der Junge aus dem Wasser war, verschwanden die beiden wieder.
    Danach wechselten die flüchtigen Einblicke immer schneller und schneller, bis Bran sich verloren fühlte und ihm schwindelig wurde. Er sah nichts mehr von seinem Vater und auch nichts von dem Mädchen, das wie Arya aussah, aber eine Frau, die ein Kind im Leib trug, und nackt und tropfend dem schwarzen Tümpel entstieg, vor dem Baum niederkniete und die alten Götter anflehte, dass ihr Sohn sie rächen sollte. Dann kam ein braunhaariges Mädchen, schlank wie ein Speer, das auf Zehenspitzen stand und einen jungen Ritter, der so groß wie Hodor war, auf den Mund küsste. Ein dunkeläugiger Jüngling, blass und grimmig, schnitt drei Äste von dem Wehrholzbaum und schnitzte Pfeile daraus. Der Baum selbst schrumpfte und wurde mit jeder Vision kleiner, während die kleineren Bäume zu Schösslingen wurden und verschwanden, um von anderen Bäumen ersetzt zu werden, die ebenfalls kleiner wurden und verschwanden. Die Lords, die Bran nun sah, waren groß und hart, ernste Männer in Fell und Kettenhemd. An manche Gesichter erinnerte er sich von den Statuen aus der Gruft, aber sie waren wieder fort, ehe ihm die Namen eingefallen waren.
    Dann sah er zu, wie ein bärtiger Mann einen Gefangenen vor dem Herzbaum auf die Knie zwang. Eine weißhaarige Frau trat durch einen Haufen dunkelroten Laubs auf sie zu und hielt eine Bronzesichel in der Hand.
    »Nein«, sagte Bran, » nein, nicht!« Doch sie konnten ihn nicht hören, genauso wenig wie sein Vater. Die Frau packte den Gefangenen am Haar, legte die Sichel an den Hals und schlitzte ihm die Kehle auf. Und durch den Nebel der Jahrhunderte konnte der Krüppeljunge nur zuschauen, wie die Füße des Mannes auf die Erde trommelten … Doch als sein Leben in einer roten Flut aus ihm herausströmte, konnte Brandon Stark das Blut schmecken.

JON
    Die Sonne war gegen Mittag durch die Wolken gebrochen, nach sieben Tagen düsterem Himmel und Schneegestöber. Manche Schneewehen waren übermannshoch, aber die Burschen hatten den ganzen Tag geschaufelt, und die Wege waren so frei wie nur möglich. Das Licht spiegelte sich auf der Mauer, alle Spalten und Risse glitzerten hellblau.
    Jon Snow stand zweihundert Meter hoch und schaute hinunter auf den Verfluchten Wald. Unten pfiff der Nordwind durch die Bäume

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