09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
und wirbelte weiße Schwaden aus Schneekristallen auf, die von den höchsten Ästen wie eisige Banner aufstiegen. Ansonsten regte sich nichts. Kein Anzeichen von Leben. Das war nicht unbedingt ermutigend. Zwar waren es nicht die Lebenden, die er fürchtete. Aber dennoch …
Die Sonne ist herausgekommen. Der Schneefall hat aufgehört. Vielleicht dauert es einen Mond, bis wir wieder eine so gute Gelegenheit bekommen. Vielleicht sogar noch länger. » Emmett soll seine Rekruten versammeln«, befahl er dem Schwermütigen Edd. »Wir brauchen eine Eskorte. Zehn Grenzer, die mit Drachenglas ausgerüstet sind. Ich will, dass sie in einer Stunde abmarschbereit sind.«
»Jawohl, M’lord. Und wer übernimmt den Befehl?«
»Das mache ich.«
Edd zog die Mundwinkel noch weiter nach unten als gewöhnlich. »Der eine oder andere möchte meinen, es wäre besser, wenn der Lord Kommandant sicher und warm südlich der Mauer bliebe. Natürlich würde ich mich dem nicht anschließen, aber der eine oder andere schon.«
Jon lächelte. »Der eine oder andere sollte das in meiner Gegenwart besser nicht laut sagen.«
Eine Windböe ließ Edds Mantel laut flattern. »Am besten gehen wir mal nach unten. M’lord. Der Wind pustet uns sonst noch von der Mauer, und wie das mit dem Fliegen gehen soll, habe ich nie ganz begriffen.«
Sie fuhren mit dem Windenaufzug nach unten. Der böige Wind war kalt wie der Atem des Eisdrachen aus den Geschichten, die Old Nan ihnen erzählt hatte, als Jon noch klein war. Der schwere Käfig schwankte. Von Zeit zu Zeit scharrte er an der Mauer entlang, dann regneten Eiskristalle auf sie herab, die in der Sonne wie Glasscherben glitzerten.
Glas, dachte Jon, wäre uns hier durchaus nützlich. Castle Black braucht ihre eigenen Glasgärten, so wie die auf Winterfell. Wir könnten mitten im Winter Gemüse ernten. Das beste Glas kam aus Myr, aber eine gute, klare Scheibe war ihr Gewicht in Gewürzen wert, und grünes oder gelbes Glas wäre nicht so gut geeignet. Was wir brauchen ist Gold. Mit genug Münzen könnten wir einen Glasbläserlehrling und Glaser aus Myr bezahlen, sie in den Norden holen und ihnen die Freiheit anbieten dafür, dass sie unsere Rekruten ihr Handwerk lehren. Das wäre eine Möglichkeit. Wenn wir das Gold hätten. Was nicht der Fall ist.
Am Fuß der Mauer wälzte sich Ghost in einer Schneewehe. Der große weiße Schattenwolf schien frischen Schnee zu lieben. Als er Jon entdeckte, sprang er auf die Beine und schüttelte sich. Der Schwermütige Edd fragte: »Begleitet er Euch?«
»Ja.«
»Ein schlauer Wolf, das Tier. Und was ist mit mir?«
»Du nicht.«
»Ein schlauer Lord seid Ihr. Ghost ist die bessere Wahl. Ich habe keine Zähne mehr, um die Wildlinge richtig zu beißen.«
»Wenn die Götter gnädig sind, werden wir keinen Wildlingen begegnen. Ich möchte den Schimmelwallach.«
Die Nachricht machte rasch die Runde in der Schwarzen Festung. Edd war immer noch damit beschäftigt, den Schimmel zu satteln, als Bowen Marsh über den Hof gestapft kam, um Jon in den Stallungen zur Rede zu stellen. »Mylord, mir wäre es lieb, wenn Ihr noch einmal über Eure Entscheidung nachdenken würdet. Die neuen Männer können ihre Gelübde genauso gut in der Septe ablegen.«
»Die Septe ist das Haus der neuen Götter. Die alten Götter leben im Wald, und wer zu ihnen betet, spricht seine Worte unter den Wehrholzbäumen. Das wisst Ihr so gut wie ich.«
»Satin stammt aus Oldtown, und Arron und Emrick aus den Westlanden. Die alten Götter sind nicht ihre Götter.«
»Ich habe den Männern nicht vorgeschrieben, welche Götter sie anzubeten haben. Es stand ihnen frei, sich für die Sieben oder für den Herrn des Lichts der Roten Frau zu entscheiden. Stattdessen haben sie die Bäume gewählt, und zwar mit allen Gefahren, die damit verbunden sind.«
»Der Weinende Mann könnte noch immer da draußen unterwegs sein und uns beobachten.«
»Bis zum Hain ist es nur ein Ritt von zwei Stunden, selbst bei dem Schnee. Wir sollten um Mitternacht wieder zurück sein.«
»Zu spät. Das ist nicht weise.«
»Nicht weise«, erwiderte Jon, »aber notwendig. Diese Männer werden ihr Leben der Nachtwache verschreiben und einer Bruderschaft beitreten, die ohne Unterbrechung seit Tausenden von Jahren existiert. Die Worte sind wichtig, genauso wie diese Traditionen. Sie binden uns aneinander, die Hochgeborenen und die Gemeinen, die Jungen und die Alten, die Unedlen und die Edlen. Die Worte machen uns zu Brüdern.« Er
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