Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
rechts von ihr. Links begleiteten sie Symon Striemenrücken von den Freien Brüdern und Marselen von den Männern der Mutter. Dreimal zwanzig Soldaten folgten den Hauptleuten, um die Karren mit den Lebensmitteln zu bewachen. Alle waren beritten, Dothraki und Messingtiere und Befreite, und alle teilten das gleiche Unbehagen angesichts dieser Aufgabe.
    Die Astapori taumelten ihnen in einer grausigen Prozession hinterher, die mit jedem Schritt länger wurde. Manche redeten in Sprachen, die sie nicht verstand. Andere konnten nicht mehr sprechen. Viele streckten Dany die Hände entgegen oder knieten nieder, wenn ihre Silberne vorbeikam. »Mutter«, riefen sie ihr zu, in den Dialekten von Astapor, Lys und Alt-Volantis, in kehligem Dothraki und den weichen Silben von Quarth, sogar in der Gemeinen Zunge von Westeros. »Mutter, bitte … Mutter, helft meiner Schwester, sie ist krank … gebt mir Essen für die Kleinen … bitte, mein alter Vater … helft ihm … helft ihr … helft mir …«
    Ich kann euch nicht mehr helfen, dachte Dany verzweifelt. Die Astapori hatten keinen Ort, an den sie gehen konnten. Tausende waren vor Meereens dicken Mauern eingetroffen, Männer und Frauen und Kinder, Greise und kleine Mädchen und Säuglinge. Viele waren krank, die meisten ausgehungert, und alle waren zum Sterben verdammt. Daenerys wagte es nicht, die Tore zu öffnen und sie in die Stadt zu lassen. Sie hatte für sie getan, was sie konnte. Sie hatte ihnen Heiler geschickt, Blaue Grazien und Bannsänger und Bader, aber auch von denen waren manche erkrankt, und keine ihrer Künste verlangsamte die galoppierende Ausbreitung der Ruhr, die mit der fahlen Mähre gekommen war. Die Gesunden von den Kranken zu trennen, hatte sich ebenfalls als undurchführbar erwiesen. Ihre Tapferen Schilde hatten es versucht und Ehemänner von ihren Frauen getrennt, Kinder von den Müttern, obwohl die Astapori weinten und sich mit Händen und Füßen wehrten und mit Steinen warfen. Einige Tage später waren die Kranken tot, und die Gesunden waren krank. Sie voneinander zu trennen, hatte nichts bewirkt.
    Sogar die Ernährung der Flüchtlinge wurde schwierig. Jeden Tag schickte sie, was sie erübrigen konnte, doch jeden Tag wurden es mehr, und ihre Vorräte wurden kleiner. Es wurde auch schwieriger, Fuhrleute zu finden, welche die Wagen lenkten. Zu viele der Männer, die sie ins Lager geschickt hatte, waren selbst an der Ruhr erkrankt. Andere waren auf dem Weg zurück in die Stadt überfallen worden. Gestern hatte man einen Wagen umgekippt und zwei ihrer Soldaten getötet, daher hatte die Königin beschlossen, die Lebensmittel heute persönlich auszuliefern. Jeder ihrer Berater hatte heftige Einwände gegen dieses Vorhaben geäußert, von Reznak und dem Schurschädel bis hin zu Ser Barristan, aber Daenerys ließ sich nicht davon abbringen. »Ich werde mich nicht von ihnen abwenden«, hatte sie stur beharrt. »Eine Königin muss das Leid ihres Volks kennen.«
    Leid war das Einzige, an dem es nicht mangelte. »Es gibt kaum noch ein Pferd oder Maultier, obwohl so viele von Astapor hergeritten sind«, berichtete Marselen ihr. »Sie haben die Tiere aufgegessen, Euer Gnaden, zusammen mit allen Ratten und streunenden Hunden, die sie fangen konnten. Manche haben jetzt angefangen, ihre eigenen Toten aufzuessen.«
    »Menschen dürfen das Fleisch von Menschen nicht essen«, sagte Aggo.
    »Das ist bekannt«, stimmte Rahkaro zu. »Sie sind verflucht.«
    »Denen sind alle Flüche gleichgültig«, meinte Symon Striemenrücken.
    Kleine Kinder mit aufgequollenen Bäumen liefen an ihnen vorbei, zu schwach und zu verängstigt, um zu betteln. Hagere Männer mit eingesunkenen Augen saßen zwischen Sand und Steinen und schissen sich das Leben aus dem Leibe, das ihnen in braun und rot die Beine herunterlief. Viele schissen inzwischen sogar da, wo sie schliefen, weil sie zu schwach geworden waren, um es bis zu den Gräben zu schaffen, die auszuheben sie befohlen hatte. Zwei Frauen stritten sich um einen verkohlten Knochen. In der Nähe stand ein Zehnjähriger und aß eine Ratte. Er aß mit einer Hand, in der anderen hielt er einen angespitzten Stock, mit dem er jeden vertrieb, der ihm seinen Schatz abjagen wollte. Überall lagen unbestattete Leichen. Dany sah einen Mann, der unter einem schwarzen Mantel im Dreck lag, doch als sie vorbeiritt, löste sich der Mantel in tausend Fliegen auf. Zu Skeletten abgemagerte Frauen saßen auf dem Boden und hielten sterbende Kinder in den Armen.

Weitere Kostenlose Bücher