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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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demütigen können, wenn nicht durch Spott über die Tiefe ihrer Leidenschaften?
    Wenn Stave und die Meister wieder zu sich kamen, würden sie bestimmt ebenfalls Scham empfinden. Clyme und Branl und Galt, sicher auch Stave, würden hart mit sich ins Gericht gehen. Haruchai verziehen nichts …
    Trotzdem kehrte Linden nicht um. Jeremiah war wichtiger. Ihre anderen Gefährten würde sie abholen, sobald sie nicht mehr fürchten musste, was der Egger tun könnte.
    Oben an der Treppe hingen schwere Portieren wie Wasserfälle vor einem bogenförmigen Durchgang: ein Weg aus dem Saal hinter Linden; vielleicht sogar einer aus dem Palast selbst. Die Magie dieses Orts hinderte sie daran, auch nur die geringste Spur des Eggers zu entdecken; aber sie hatte gesehen, wie er den Vorhang geteilt und hinter ihm verschwunden war.
    Vor dem Wasser, das wie halb durchsichtiger Brokat in Gold und Silber und raffinierten Türmalintönen wirkte, machte sie kurz halt, um sich zu vergewissern, dass sie Anele fest an der Hand hatte und durch ihn weiter mit Liand verbunden war. Dann führte sie die beiden durch die flüssigen Portieren.
    Hinter dieser Barriere spürte Linden sofort, dass sie den Bereich des Palastes verlassen hatte. Das Gefühl, in Wasser und Theurgie ertrinken zu müssen, verschwand schlagartig, und ihre gestörten Wahrnehmungen kehrten zurück. Vor ihr schlängelte sich ein schmaler Gang durch gewachsenen Fels. Wie alle Steinflächen der Verlorenen Tiefe war er glänzend poliert; der Korridor mit einladend wirkendem Licht erfüllt. Hier tarnte die Beleuchtung jedoch nicht den noch in der Luft hängenden Geruch von Kraft und Flamme aus dem Stab oder die zurückgebliebene schwache Ausstrahlung der eigenen Zauberkunst des Eggers.
    Im Eilschritt folgte Linden mit Anele und Liand dem Korridor.
    Der Gang wand und schlängelte sich heimtückisch wie eine Natter. Weitere Passagen oder Säle zweigten links und rechts ab, aber Linden ignorierte sie. Weil sie den Egger witterte, war sie sich ihres Weges sicher. Liand atmete keuchend, weil er von seinen früheren Anstrengungen jenseits des Wagnisses erschöpft war, aber sein Schritt blieb gleichmäßig, und Anele bewies wieder einmal seine unwahrscheinliche Zähigkeit. Linden aber wurde durch das Bild Jeremiahs vor ihren Augen angetrieben. Sie glaubte ihren Sohn ganz in der Nähe. Wenn der Insequente seinen Schwur hielt…
    Mit einer Geraden, einer Kurve, einer Abzweigung nach der anderen wirkte der Korridor wie ein Labyrinth: ein Ort, an dem Absichten und Leben eingebüßt wurden. Trotzdem spürte Linden keine in den Wänden verborgenen Geheimnisse, keine versteckten Kreuzungen, keine tarnenden Reflexe. Hatten die Gräuelinger oder Roger oder der Croyel oder der Wüterich Moksha Fallen aufgestellt, in die sie gehen sollte, konnte Linden sie nicht entdecken.
    Und die von dem Egger zurückgebliebene Aura und Interferenzen blieben unverändert stark.
    Dann bogen Linden, Anele und Liand um eine Ecke, und plötzlich führte der Korridor in einen runden Saal, den eine Kuppel überwölbte: eine durch einen fleckenlosen Boden mittig geteilte Kugel. Auch diesen Raum konnte sie sich nicht als Höhle oder Kaverne vorstellen. Er war zu vollkommen symmetrisch, um natürlich entstanden sein zu können. Wie der Fußboden leuchteten die gewölbten Wände, die sich genau über dem Mittelpunkt des Saales trafen, von dem typischen Mondsteinglanz der Verlorenen Tiefe. Der Saal war nicht so groß wie der erste, den sie betreten und verlassen hatte; im Vergleich dazu wirkte er fast intim, obschon er leicht Platz für die Schwertmainnir und mehrere Dutzend ihrer Gefährtinnen geboten hätte. Jedenfalls kam sich Linden hier ziemlich klein vor.
    Seine Wirkung auf sie wurde nicht durch die Tatsache vermindert, dass er durch Zeit oder Theurgie gelitten hätte. Der polierte Fußboden und die vier Portale in den Wänden ließen keine Schäden oder Anzeichen von Veränderungen erkennen. Dem Portal, durch das Linden mit ihren Gefährten hereingekommen war, lag ein weiteres genau gegenüber; die beiden anderen waren gleich weit von ihnen entfernt. Da sie mit der gewohnten Genauigkeit der Gräuelinger errichtet waren, könnten diese Korridore die vier Himmelsrichtungen eines geheimnisvollen Kompasses bezeichnen.
    Aber vom Scheitelpunkt der Kuppel hing ein grober Felsklotz oder -brocken herab, der aus Travertin hätte bestehen können: stumpf und unbearbeitet, porös, dunkel wie ein Fleck vor dem leuchtenden Stein. Und

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