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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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seiner ererbten Kraft stärkte ihr Wahrnehmungsvermögen. Erdkraft erklärte ihr, was der Egger tat. Er bemühte sich, dem Stab des Gesetzes Feuer zu entlocken, um so den Bann des Palastes zu brechen.
    Linden beobachtete ihn lediglich mit der Oberfläche ihres Verstands; empfand nur distanzierte Neugier. Trotz Aneles indirekter Beschwörung hätte sie nach wenigen Augenblicken das Interesse verlieren und wieder wegsehen können. Aber während sie den Egger betrachtete, schien er plötzlich in Flammen zu stehen. Er und der Stab und seine Entschlossenheit, sich Jeremiah für eigene Zwecke zu sichern, wurden zu einer Feuersäule, als er sich jetzt in Bewegung setzte und auf eine reich verzierte Treppe jenseits des Springbrunnens zuschritt.
    Von Magien verwirrt hatte er seinen Eid vergessen - Linden mitzunehmen. Oder vielleicht hatte sein Drang, den Verführungen des Wassers zu entkommen, ihn dazu gezwungen, sie zu vernachlässigen. Als er sie zurückließ, regte sich etwas in Lindens Innerem. Ohne Aneles Hand loszulassen, setzte auch sie sich in Bewegung.
    Erdkraft. Sie war der Schlüssel. Linden brauchte Erdkraft - mehr als der Alte ihr geben konnte. Sein Erbe war zu tief in seinem Inneren verborgen, wurde durch Schichten aus Wahnsinn abgeschirmt. Sie brauchte eine direktere Quelle …
    Sie brauchte ihren Gesundheitssinn.
    Linden, die sich bewegte, wie Anele gesprochen hatte - als erforderte jeder Schritt eine mühsame, präzise Anstrengung -, trat auf Liand zu und zog dabei den Alten hinter sich her. Keiner ihrer Gefährten ließ erkennen, dass er sie sehen konnte; dass er überhaupt wusste, wer sie war. Niemand konnte ihr helfen. Ebenso wie Anele sich vor ihr aufgebaut hatte, machte Linden jetzt vor dem Steinhausener halt.
    Liand war ihr erster wahrer Freund gewesen, nachdem sie ihren Sohn verloren hatte. Er hatte ihr die Flucht aus Steinhausen Mithil und mit Anele vor den Meistern ermöglicht, als sie keinen anderen Helfer oder Führer gehabt hatte. Er vertraute ihr trotz allem, was sie getan hatte, glaubte an sie. Er würde sie doch jetzt bestimmt erkennen? Würde doch sicher reagieren, wenn sie ihn ansprach?
    Er begrüßte Linden mit einem kurzen Stirnrunzeln. Dann starrte er an ihr vorbei oder durch sie hindurch, als wäre sie zu spektral geworden, um ihn zu stören.
    »Liand.« Sie konnte nur sprechen, weil sie weiter Aneles Hand umklammert hielt. »Hör mir zu.« Der Egger stieg die Treppe hinauf. Er schien wie von Flammen getragen hinaufzuschweben. »Ich brauche den Orkrest.«
    Der junge Mann reagierte nicht. Der Palast hatte ihn in seinen Bann geschlagen. Sein flüchtiges Bewusstsein, dass Linden vor ihm stand, war wieder verflogen.
    Linden hätte ihn am liebsten geohrfeigt, aber das konnte sie nicht. Sie wollte in seine Gürteltasche greifen und den Sonnenstein herausholen, aber dazu fehlte ihr die Kraft. Sie hatte selbst zu viel aufgegeben und kannte den Preis solcher Opfer. Er hatte es nicht verdient, von ihr um sein Erbe gebracht zu werden.
    Gegen ihre eigene Verzauberung, die eigene Schwäche ankämpfend, zog sie Anele dichter an Liand heran. Nachdem sie ihre Finger mit den seinigen verflochten hatte, damit der Alte sich nicht losreißen konnte, legte sie seine freie Hand auf Liands Schulter. Mit reiner Willenskraft forderte sie Anele stumm auf, dem Steinhausener einen Schock zu versetzen, wie er es zuvor bei ihr getan hatte. Trotz seiner Verrücktheit schien Anele zu erfassen, was sie beabsichtigte; oder er hatte eigene Gründe für seine Verzweiflung, eigene fragmentierte Bedürfnisse. Seine zitternde Hand streichelte Liands Schulter …
    … und Liand fuhr zusammen. Seine schwarzen Augenbrauen gingen in die Höhe. Sein Blick konzentrierte sich auf Linden. Er musterte sie, als sähe er sie durch Wasserschleier.
    Auf dem oberen Treppenabsatz verschwand der Egger durch einen Vorhang.
    »Liand«, wiederholte Linden, »hör mir zu.«
    »Li…« Er versuchte ihren Namen zu sagen. »Lin…«
    »Hör mir zu«, verlangte sie: ein schwacher Laut, zu entfernt und unsicher, um Aufmerksamkeit zu erzwingen. »Ich kann dir nichts erklären. Ich verstehe selbst nichts. Aber wir brauchen Erdkraft. Um uns daran zu erinnern, wer wir sind.
    Wir brauchen den Orkrest.«
    Selbst die Riesinnen, selbst die Haruchai waren für sie unerreichbar. Der Palast hatte ihre angeborenen Stärken gegen sie selbst gewendet. Und keiner von ihnen besaß irgendein Werkzeug der Macht. Covenant trug weiter Loriks Krill, aber er war in seine

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