09-Die Pfade des Schicksals
warteten.
Jeremiah wand sich plötzlich in Kaltgischts Armen, versuchte sich zu befreien. »Du Dreckskerl!« Die Angst und Wut des Croyel brannten in seinem Blick. »Du Scheißkerl! Willst du nicht wenigstens kämpfen, kannst du mich gleich umbringen. Mom würde dich anflehen, wenn sie wüsste, was du tust. Wenn sie nicht so erbärmlich schwach wäre. Wenn sie jemals erkannt hätte, warum du dich damals Foul ergeben hast - weil du zu feig bist, um wirklich zu kämpfen.«
Raureif Kaltgischt, die etwas vor sich hinmurmelte, bewegte ihre Hand mit Loriks Krill, sodass jetzt seine Spitze gegen die Kehle des Ungeheuers drückte.
Im Blick des Croyel flackerte jähe Angst. Das Monster ließ Jeremiah wieder zusammensinken.
Mähnenhüter Mahrtür räusperte sich. »Achte nicht auf den Croyel, Covenant Zeitenherr.« Trotz seiner Blindheit - oder vielleicht ihretwegen - schien er die massive Einschüchterung durch die Masse des Donnerbergs als Erster abgeschüttelt zu haben. »Wir verstehen deine Weigerung zu kämpfen. Für die Meister kann ich dabei nicht sprechen. Die Schwertmainnir werden bestimmt für sich selbst sprechen. Aber wir, die ersten Freunde und Gefährten der Ring-Than, sind gegenwärtig damit zufrieden, das Ergebnis deiner Bemühungen abzuwarten.«
»Der Mähnenhüter hat wie immer gut gesprochen«, knurrte die Eisenhand. »Verwunderlich, dass jemand, der im Herzen so aggressiv ist, so höflich sein kann.«
»Danke, dass ihr mich unterstützt«, sagte Covenant mit zusammengebissenen Zähnen. »Aber im Augenblick brauche ich euch nicht. Ich brauche Anele.«
Pahni starrte ihn besorgt an, als fürchtete sie um den Alten. Liand fragte, als spräche er mit sich selbst: »Anele?«
»Er besteht zum Teil aus Erdkraft«, erklärte Covenant ihnen. »Sie ist ihm angeboren« - als Erbteil seiner verwandelten Eltern. »Er kann Dinge tun, die selbst Berek und die übrigen Hoch-Lords nicht tun konnten.«
Von der Angst getrieben, der Hunger des Übels könnte jeden Augenblick stärker werden als der Wunsch, seinen wahren Namen zu erfahren, wandte Covenant sich an den Alten.
Die Gedemütigten beobachteten ihn, als versuchten sie, das Risiko einer Entweihung abzuschätzen. Wird ihr Name ihr wieder gesagt - Esmer betrachtete Covenant erstaunt und angewidert -, folgt ein so gewaltiger Wutausbruch, dass der Gravin Threndor zerplatzt.
»Anele«, sagte Covenant strenger als eigentlich beabsichtigt.
»Du stehst auf Fels. Seine Erinnerungen erfüllen dich so sehr, dass du kaum weißt, was um dich herum vorgeht. Aber ich glaube, dass du manche Dinge noch verstehst.
Ich möchte, dass du Liand um seinen Orkrest bittest. Ich muss vernünftig mit dir reden.«
Aneles Mondstein-Augen glitzerten. Er richtete sie kurz auf Covenant und sah sofort wieder weg, als wäre er so beängstigend wie Sie, die nicht genannt werden darf. Sein Kopf ruckte von einer Seite zur anderen. Seine runzligen Hände schienen Bitten aus der Luft zu pflücken.
»Ich höre.« Seine Stimme zitterte. »Ich verstehe nichts. Dieser Fels kennt zu viel Böses. Er erinnert sich an Schrecken. Sein Flehen füllt meine Ohren.«
Abrupt ohrfeigte er sich, erst links, dann rechts, als wollte er die verwirrenden Stimmen in seinem Kopf so zum Schweigen bringen. Dann streckte er einen dünnen Arm fordernd nach Liands Orkrest aus.
Liand zögerte nicht, sondern überließ Anele den Sonnenstein.
Als Aneles Finger ihn umschlossen, warf er den Kopf zurück und schrie laut, als wäre ihm ein Dolch in die Brust gestoßen worden. Hinter Covenant hörten die Fratzen des Übels sekundenlang zu heulen auf, als hätte sie die Verzweiflung in Aneles Aufschrei erschreckt. Als hätten sie sie wiedererkannt…
Im nächsten Augenblick schwemmte ein Schwall Theurgie aus dem Orkrest die geistige Verwirrung des Alten weg. Von einem Herzschlag zum nächsten wurde seine Art vernünftig, als wäre er plötzlich für die Myriaden uralter Stimmen von Granit und Kalkstein und Verrücktheit taub geworden.
Als Anele den Kopf wieder senkte, fixierten seine blinden Augen Covenant. Er richtete sich langsam auf und nahm die Schultern zurück. Auf nicht recht erklärbare Weise wirkte er plötzlich wie ein Lord.
In dem Tumult aus Feuer und Wildheit und fallendem Wasser sagte er: »Zeitenherr.« In seinem Tonfall vermengten sich Sorge und Ernst. Spritzwasser tropfte aus seinem spärlichen Bart. »Ich flehe dich an. Mach es nicht.«
»Tut mir leid, Anele.« Innerlich verfluchte Covenant sich selbst.
Weitere Kostenlose Bücher