09-Die Pfade des Schicksals
erkannte, antwortete das Übel seinerseits mit Schreien. Elena war deutlicher sichtbar als Sunder oder Hollian: eine leuchtende Konzentration aus Schmerz, dem Schaden, den sie angerichtet hatte, und dem Zweck, für die Lord Foul sie gebraucht hatte. Das Heulen des Übels und ihr eigenes wurden miteinander höher, lauter. Es glich einem Feuersturm aus Schreien. Die Qualen der Verdammten zerrissen die Luft, marterten Covenants Gehör. Liand und die Ramen hielten sich die Ohren zu. Einige der Riesinnen zuckten zusammen. Aus den Augenwinkeln des Insequenten trat Blut aus.
Covenant verstand. Oh, er verstand recht gut … Sunder und Hollian hatten eine kluge Wahl getroffen. Elena hatte geliebt, war verraten worden und hatte gelitten. Und sie war Covenants Tochter, die seit Jahrtausenden unter Selbsthass litt: perfektes Futter für das Übel. Der perfekte Köder. Solche vollendeten Qualen konnte das Übel unmöglich ignorieren.
Aber als Sie, die nicht genannt werden darf, den Rachen aufriss, flüchtete Elena ans Ende der Höhle. Covenants Tochter war eine Gesetzesbrecherin; aber sie war einst ein Hoch-Lord gewesen. Vor langer Zeit war sie dem Bösen zum Opfer gefallen - und von ihrem Vater befreit worden. Ihre Angst davor, verschlungen zu werden, wog schwerer als die Strafen, die sie sich selbst auferlegte. Als erinnerte sie sich daran, die Tochter ihres Vaters zu sein, versuchte sie jetzt verzweifelt zu fliehen.
Das tobende Übel nahm sofort die Verfolgung auf; es streckte lange Arme aus Theurgie aus, um Elena in der Luft einzufangen. Irgendwie gelang es ihr jedoch, ihnen auszuweichen.
Und während Sie, die nicht genannt werden darf, sie verfolgte, zwang Covenant sich dazu, sich abzuwenden. Mit geballten verstümmelten Fäusten und Zorn und Reue in seinem jagenden Herzen baute er sich vor Esmer auf.
In dem Chaos aus Schreien knurrte er: »Du hast dich endlich für eine Seite entschieden, nehme ich an.«
Sein letzter Schachzug.
Esmer hatte Blut auf den Wangen. »Das habe ich nicht.« Seine Verzweiflung war so groß wie die Elenas. »Ich diene der Wildgoldträgerin, wie ich Kastenessen diene.«
»Aber nicht sehr gut. Dies ist alles Verrat. Gewiss, du hast uns ein paar Dinge erzählt, die nützlich hätten sein können, wenn wir nicht so gut wie tot wären. Aber unter den jetzigen Umständen zählen sie kaum.«
Verzweiflungsschreie gellten durch die Höhle. Laute Wehklagen ließen Stalaktiten von der Decke brechen; erzeugten Wellen auf der steigenden Flut. Die Schwertmainnir wichen zurück, um ihre Gefährten mit einem engen Kordon zu umgeben. Einige von ihnen beobachteten Elenas Flucht. Andere starrten Covenant an, als hätte er sie entsetzt.
»Ich tue, was ich tun muss.« Wie Anele schien Esmer um Gnade zu flehen. »Ihr könnt mich nicht retten. Früher habe ich von meinem Todeswunsch gesprochen. Aber dieser Weg steht euch nicht mehr offen.«
»Ich weiß«, bestätigte Covenant. »Trotzdem gibt es noch einen Ausweg.« Elenas Schreie zerrissen ihm das Herz. »Eine Möglichkeit, beiden Seelen in deiner Brust zu dienen. Hilfe und Verrat zur gleichen Zeit.«
Esmer schüttelte so heftig den Kopf, dass rote Tropfen sprühten. »Ich kann nicht begreifen, weshalb du nicht erlöst worden bist. Das ist Wahnsinn! Ich habe denen, die dir zu dienen wünschen, reichlich Gelegenheit gegeben. Das ist mein Dienst an der Weißgoldträgerin. Trotzdem werde ich abgewiesen.«
Covenant hatte keine Ahnung, was Esmer damit meinte. Aber er hatte keine Zeit, dieser Frage nachzugehen. Erste Ausläufer von Macht hatten den toten Hoch-Lord bereits erfasst. Die Fratzen rissen ihre zahlreichen Münder auf, um Elenas Gespenst zu verschlingen.
Linden hatte ihr das Geschenk verweigert, das Berek, Dame-Ion und Lorik Hoch-Lord Kevin gewährt hatten. Jetzt wurde sie geopfert…
Covenant hatte keine Zeit.
»Versuch nicht, das Thema zu wechseln«, knurrte er. »Sieh uns an, Esmer. Wir sind erledigt. Ist das deine Art, Linden zu dienen, ist sie nur lachhaft. Schaden kannst du ihr nicht mehr. Du kannst nur dafür sorgen, dass wir alle sterben.
Kastenessen genügt das vermutlich. Aber du hast die Sache nicht ganz durchdacht. Du hast dir nicht überlegt, was passiert, wenn Sie, die nicht genannt werden darf, meinen Ring bekommt.
Das ist dann nicht nur Verrat.« Covenant bemühte sich, gallenbittere Ängste hinunterzuschlucken, ehe er feststellte. »Das ist der Verrat schlechthin. Mit solcher Art Macht …«
»Sie ist sich selbst genug«,
Weitere Kostenlose Bücher