09-Die Pfade des Schicksals
als beruhigend empfand, so ließ ihre Miene nichts davon erkennen. Trotzdem dankte sie ihm mit einer ernsten Verbeugung. »Zweifle nie an unserer Dankbarkeit, Insequenter. Dass wir dir bisher kaum für deine Mühe gedankt haben, liegt nur daran, dass wir erschöpft sind - und auch ängstlich, seit wir nun wissen, dass unser Schicksal in Wasser geschrieben steht. Erhalten wir jemals Gelegenheit, nach Riesenart alles ausführlich zu erzählen, wird unser Bericht zeigen, wie es in unseren Herzen aussieht. Vorerst nenne ich dich in freundschaftlicher Verehrung ›Steinbruder‹. Solange wir leben, wird kein Jota von deiner Tapferkeit und deinen Verdiensten vergessen werden.«
Der Eifrige verbeugte sich, wobei er sein Gewand ausbreitete, und verbarg dabei das Gesicht. Seine Haltung ließ darauf schließen, dass er dicht davor war, in Tränen auszubrechen.
Linden brauchte den Krill, um den Croyel in Schach zu halten.
Ohne Loriks Dolch war Covenant hilflos.
Covenant schüttelte grimmig das Chaos seiner Erinnerungen ab. Sie waren zu verworren, um nützlich zu sein.
»Hol es der Teufel«, sagte er zu dem Eifrigen, als hätte er keinen Grund, wie Kaltgischt dankbar zu sein. »Nehmen wir mal an, ich verstünde, was hier vorgeht. Eure Prophezeiungen müssen für irgendwas gut sein. Sonst wären wir nicht mehr am Leben. Aber wir stehen vor einem dringenderen Problem.
Kannst du Linden helfen? Kannst du sie erreichen? Ich weiß nicht, was in ihr vorgeht. Vielleicht befindet sie sich auf dem Weg der Besserung. Oder vielleicht glaubt sie, versagt zu haben, und quält sich deswegen …« Bei diesem Gedanken brach ihm kurz die Stimme. »Je länger sie in diesem Zustand verharrt, desto schlimmer ist alles, wenn sie aufwacht, fürchte ich.« Wenn sie überhaupt wieder aufwachte. »Kannst du ihr helfen, zurückzufinden?«
»Auch diese Antwort«, seufzte der Insequente, »musst du in deinem Inneren finden.« Seine Stimme klang vor Erschöpfung oder Kummer schwach. »Der Zustand der Lady übersteigt mein Wissen. Ich kann dir weder raten noch ihr helfen.« Er zögerte, dann fügte er widerstrebend hinzu: »Ich merke nur, dass ihr Todeswunsch weiter besteht. Oder ist es der ihres Sohns? Erfordert seine oder ihre Notlage den Tod anderer? Die Dinge sind unbestimmbar geworden. Jede kleine Strömung verändert sie. Ich kann keine deiner Befürchtungen lindern.
Verlasse ich euch nicht, Zeitenherr, kann ich nicht zurückkehren.«
Der Eifrige machte bewusst einen Schritt rückwärts, um Proteste und Einmischungsversuche abzuwehren.
Covenant folgte ihm jedoch. »Halt! Wir sind noch nicht fertig.«
Vor langem hatte Linden ihm von ihren Eltern erzählt: Er wusste bereits genug über ihren Todeswunsch. Trotzdem hatte der Eifrige zu viele Andeutungen in der Luft hängen lassen.
»Zeitenherr?« Die Augen des Insequenten glitzerten in seinem geröteten Gesicht.
»Nichts ist so einfach, wie du es hinstellst«, knurrte Covenant. »Für dich steht etwas, über das du nicht reden willst, auf dem Spiel. Du hast selbst gesagt, dein Ende stehe bevor … du hast weit mehr für uns getan, als wir hätten erhoffen dürfen, aber hier spielt sich auch etwas ab, das nur dich betrifft. Irgendetwas, das mit dem Egger zusammenhängt.« Sein Tod hat einen Preis, der euch nicht zu kümmern braucht. »Ich will wissen, worum es sich handelt. Bist du irgendwie selbst verdammt, haben wir ein Recht darauf, zu erfahren, wie viel die gewährte Hilfe dich kostet, findest du nicht auch?«
Der Eifrige wand sich verlegen. »Du fragst sehr private Dinge, Zeitenherr. Aber die sind meine Last, nicht eure. Ich möchte sie einigermaßen würdevoll tragen.«
Der Bebänderte suchte die Wälle der Senke ab, als halte er Ausschau nach einem Fluchtweg. »Du durchforschst mich, Zeitenherr, zu meinem großen Unbehagen. Und ich wiederhole, dass ich nicht zurückkehren kann, wenn ich jetzt nicht weggehe.« Indem er weiter Covenants Blick erwiderte, fügte er zögernd hinzu: »Trotzdem muss ich meine Schande eingestehen. Mein Fehler kann nicht verziehen werden, wenn ich nicht darüber spreche. Jedoch nur kurz.«
Auf bunte Stoffstreifen gestützt begann der Eifrige: »Als unsere Seher und Wahrsager ihre Prophezeiungen ausgesprochen und das dem Egger aufzuerlegende Geas ausgearbeitet hatten, sahen sie natürlich gleich, dass ihr Kurs gefährlich war. Ich habe erwähnt, mit welchen Argumenten mein Volk seine Absicht gerechtfertigt hat. Aber diese Schlussfolgerungen waren falsch.
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