09-Die Pfade des Schicksals
zurückrief. Aber er scheute davor zurück, als seine Bemühungen ihn zu den Kurash Qwellinir und dem Glutaschenkamm, zu den Trümmern von Fouls Hort führten. Darauf war er nicht vorbereitet, und er besaß gegenwärtig keine Macht.
Wasser war Leben.
Es bedeutete auch Erosion. Schreckliche Stürme. Sintflutartige Regenfälle, die Berge wegschwemmen konnten. Flutwellen.
Und im glasklaren, erfrischenden Wasser des Glimmermere: Taufe.
Covenant wünschte sich sehnsüchtig, der Eifrige hätte ihn dorthin versetzen können. Mit Linden. Auf dass sie von ihren Leiden erlöst wieder gereinigt und erdkraftmächtig, voller Liebe gewesen wäre.
Wünschen allein half nichts.
Zum Glück war Mähnenhüter Mahrtür praktischer veranlagt. Nachdem er die Gesellschaft eine Zeit lang blicklos gemustert hatte, verkündete er: »Auch wir müssen weiter. Obwohl dieses Gebiet verseucht ist, führt der Bach, den die Seilträger gefunden haben, jetzt im Frühjahr frisches Regenwasser. Und er ist nicht weit entfernt. Die Strecke scheint nur weit zu sein, weil wir schwach sind. Dort können wir unseren Durst ganz löschen, baden und ausruhen. Haben wir das getan, sind die vor uns liegenden Schwierigkeiten vielleicht besser zu bewältigen.«
»Aye«, sagte Raureif Kaltgischt. »Der Rat des Mähnenhüters ist wie immer klug. Leider sind wir …« Ihre Handbewegung umfasste die übrigen Riesinnen. »… zu erschöpft, um jemanden tragen zu können. Aber der Bach ist nicht allzu weit entfernt, wie der Mähnenhüter gesagt hat, und führt reichlich gutes Wasser. Außerdem gibt es dort mehr Schatten.«
Covenant nickte. Er wusste nichts anderes vorzuschlagen. Absolut nichts.
Stave sah jedoch zu Kaltgischt auf. »Was ist mit Anele? Du weißt noch nicht, wie sehr er leidet - oder welches Leid er bewirken kann -, wenn er besessen ist. Auf nackter Erde ist er Empfänger und Werkzeug von Kastenessens Wut. Er kann nicht selbst zum Bach gehen. Das dürfen wir nicht von ihm verlangen.«
Kaltgischt sah weg. »Die Gedemütigten …«
»Die fürchtet er«, stellte Stave fest. »Er würde sich nie von ihnen anfassen lassen.«
Als wollte er Staves Aussage bestätigen, kauerte Anele sich zusammen, verbarg den Kopf in seinen Armen und stöhnte halblaut.
Die Eisenhand seufzte. »Dann trage ich ihn, wenn die Meister bereit sind, meine Rüstung zu tragen.«
Branl stimmte sofort zu. Galt, Clyme und er wussten so gut wie Stave, welche Gefahren Anele bedrängten, sobald er auf etwas anderem als Stein stand.
»Dann sollten wir aufbrechen«, sagte Covenant unbestimmt.
Der ungewohnte Sonnenschein kam ihm unnatürlich heiß vor. »Ich schwitze zu stark. Ich brauche mehr Wasser.«
Am liebsten hätte er Linden selbst getragen. Er sehnte sich danach, sie in den Armen zu halten, sie zu beschützen - und er wollte sich nicht vor seiner Verantwortung für ihren Zustand drücken. Aber ihm fehlte die Kraft dazu. Stave hätte sie rennend zum Bach tragen können; Covenant wäre vermutlich keine hundert Schritte weit gekommen.
Um ihn herum machten die Riesinnen sich zum Abmarsch bereit. Kaltgischt hob Anele aus Sturmvorbei Böen-Endes Brustpanzer und hielt ihn so zart wie möglich. Frostherz Graubrand half Böen-Ende, ihre Rüstung anzulegen; danach war Böen-Ende ihr behilflich. Auf Mahrtiirs Befehl übernahmen Bhapa, Pahni und Liand den Dienst als Ausgucke, während Branl und Clyme die beiden Teile von Kaltgischts Rüstung aufhoben. Galt, der dem Croyel weiter Loriks Dolch an die Kehle gedrückt hielt, stieß Jeremiah an, damit er sich in Bewegung setzte.
Covenant trug Lindens schwarzen Runenstab selbst. Er hätte ihn nicht gebrauchen können und wollte das nicht einmal versuchen. Aber er konnte sich darauf stützen. Und er hoffte, dass die Nähe zu Erdkraft und Gesetz ihn davon abhalten würde, sich wieder im Labyrinth seiner Erinnerungen zu verirren.
Mühsam setzte sich die Gesellschaft in Bewegung.
Eine Zeit lang zogen sie über unebenes flaches Gelände, das an ein längst ausgetrocknetes Überschwemmungsgebiet erinnerte: ausgedörrter graubrauner Boden mit Adern in Ockertönen, kristallinem Weiß, Andeutungen von Grünspan und Rost; kleine Bodenerhebungen und Reste ehemaliger Wasserläufe; gelegentlich Inseln aus hartem Gras, das wie Strandhafer aussah. Die leichte Brise frischte allmählich auf, bis von Covenants Stiefelabsätzen und den Füßen und Sandalen seiner Gefährten bei jedem Schritt zarte Staubwölkchen aufstiegen. Der Wind war Fluch und Segen
Weitere Kostenlose Bücher