09-Die Pfade des Schicksals
gesprochen.«
Frostherz Graubrand hob den Kopf. »Zweifellos besitzen die Elohim, was uns fehlt.«
»Und du erwartest Auskunft von ihnen?«, erkundigte Covenant sich. »Wenn wir eine Möglichkeit fänden, sie zu fragen?« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind zu sehr damit beschäftigt, um ihr Leben zu rennen. Vermutlich würden sie uns nicht mal wahrnehmen - außer wir täten etwas, das sie noch mehr ängstigt als die Schlange …«
Er ließ die offensichtliche Vergeblichkeit dieser Idee in der Luft hängen. Den Sagen nach, die Linden in unterschiedlichen Fassungen gehört hatte, hatten die Waldhüter ihr Verbot durchgesetzt, indem sie einen Elohim in dem Koloss eingesperrt hatten. Jetzt, davon war sie überzeugt, dachten Infelizitas und ihr Volk nicht mehr an Selbstaufopferung. Sie waren dem Tod schon zu nahe.
»Nachdem wir die Elohim bereits genannt haben«, knurrte Raureif Kaltgischt, »will ich unsere Sorgenliste um einen Namen erweitern.
Die Schwertmainnir erinnern sich an Verlorensohn Langzorn, der mit Absichten, die wir nicht verstehen, im Land weiter auf freiem Fuß ist. Durch die Wiedererweckung Thomas Covenants ist das ihm von den Elohim auferlegte Geas hinfällig geworden. Ist es jetzt von ihm genommen worden? Stiftet sinnlose Wut ihn zu weiteren Morden an? Wir sind Riesen, und er ist einer von uns. Wir können ihn nicht vergessen.«
Langzorn hatte versucht, Linden zu ermorden. Mehr als einmal. Aber welchen Vorteil hätte ihr Tod den Elohim jetzt noch bringen können?
Im nächsten Augenblick stand Mähnehüter Mahrtür auf. Er trat ungeduldig in die Mitte der Versammlung. »Diese Aufzählung von Gefahren bringt uns nicht weiter«, sagte er unwillig. »Uns ist einmal eine gewisse Belehrung zuteilgeworden. Solange besserer Rat fehlt, müssen wir uns darauf verlassen. Willst du nicht davon sprechen, Zeitenherr?«
Covenant zuckte zusammen. »Wie meinst du das?«
Auch Linden fuhr zusammen. Sie wusste, was kommen würde.
»Auf der Hochebene über Herrenhöh«, antwortete Mahrtür, »hast du mit einem der ersten Gefährten der Ring-Than gesprochen. Mit Aneles Stimme hast du uns Prophezeiungen und Ratschläge übermittelt. Wir haben deine Worte nicht vergessen, aber ihre Bedeutung entgeht uns.
Willst du sie nicht jetzt erläutern, damit wir unseren weiteren Weg deutlicher vor uns sehen?«
Covenant rieb sich erneut mit seinen gefühllosen Händen das Gesicht, als wollte er sich daran erinnern, dass seine Handflächen und die Fingerstummel noch existierten. So entzog er sich für kurze Zeit der Illusion, von dem Blinden unter seiner Augenbinde hervor forschend gemustert zu werden. Dann hob er den Kopf und erwiderte Mahrtiirs blickloses Starren. Mitleid oder Bedauern ließ seinen Blick verschwimmen.
»Tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern. Und ich fürchte mich davor, es zu versuchen. Manchmal lässt das Graben in der Vergangenheit mich abgleiten. Wenn das passiert, weiß ich nicht, wie ich in die Gegenwart zurückfinden kann.«
»Amanibhavam bringt dich zurück«, antwortete der Mähnenhüter sofort.
»Natürlich«, bestätigte Covenant. Das klang wie eine Verwünschung. »Und wenn du etwas in dieser Art tust, verschwindet jedes Mal ein weiteres Stück dessen, woran ich mich zu erinnern versuche. Meines Wissens endgültig. So schwinde ich dahin und kann erst recht nicht wieder werden, was ich einmal war.«
Er schien die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu ertragen, so lange er konnte. Dann schlug er die Fäuste aneinander.
»Seht ihr?«, fauchte er. »Deshalb hätte ich nichts sagen sollen, solange ich noch Teil des Bogens war. Deshalb habe ich nichts gesagt, bis ich wiedererweckt worden bin. Und nun seht ihr mich an, als dächtet ihr, ich wüsste, was wir tun sollen.
Aber ich bin jetzt wieder ein Mensch. So fehlbar wie jeder andere. Und ich habe nicht die gleichen Dinge erlebt …«Er stöhnte frustriert oder protestierend. »Eure Erfahrungen fehlen mir. Ich bin nicht auf eurem Wissensstand. Nur zu beobachten, was passiert, ist weniger lehrreich, als eigene Erfahrungen zu sammeln.
Höllenfeuer und blutige Verdammnis!«, rief er plötzlich aus. »Haben wir dies alles durchgemacht …« Seine Armbewegung schien die ganze Welt einzuschließen. »… ohne euch davon zu überzeugen, dass unverdientes Wissen gefährlich ist?«
Er sah sich trotzig in der Runde um, als erwartete er Widerspruch. Als niemand das Wort ergriff, sprach er mit heiserer Stimme halblaut weiter: »Selbst wenn ich mich an
Weitere Kostenlose Bücher