09 - Old Surehand III
und meine Rache gestillt, denn Old Shatterhand ist tot!‘ Winnetou erschrak über den Tod seines Freundes, kroch zurück, dahin, wohin er gezielt hatte, und fand die Leiche des Getroffenen. Er band ihn an den Lasso und gebot, wieder Feuer zu machen. Wie freute er sich, als er sah, daß sein Bruder Shatterhand noch lebt!“
„Wer mögen die Weißen gewesen sein?“ fragte Treskow. „Die Tramps keinesfalls, denn die können noch nicht hier sein.“
Ich bog mich zu dem Toten nieder. Die unfehlbare Kugel des Apachen war ihm in die Stirn gegangen. Ich erkannte ihn sofort: es war einer von Toby Spencers Rowdies. Treskow bestätigte dies, nachdem er ihn auch betrachtet hatte; er hatte ihn ja auch bei Mutter Thick in Jefferson City gesehen. Man hatte jetzt nur auf diese Leiche und auf Winnetou geachtet; jetzt sah dieser dunkelnasse Stellen im Gras, folgte ihnen mit den Augen bis zu mir und rief dann erschrocken aus:
„Uff! Mein Bruder ist verwundet, also doch getroffen worden! Das Blut läuft stark. Ist es gefährlich?“
„Ich glaube, nicht“, antwortete ich.
„Ist der Knochen verletzt?“
„Nein, denn ich kann stehen.“
„Aber es ist eine seltsame Wunde. In der Lage, welche mein Bruder hier am Boden hatte, konnte er gar nicht an dieser Stelle getroffen werden!“
„Das habe ich mir auch schon gesagt. Es war ein Fehlschuß. Die Kugel hat hier den Felsen getroffen und ist, von ihm abprallend, mir in den Schenkel gedrungen.“
„Das ist nicht gut. Prallschüsse verursachen Schmerzen. Ich werde sofort nach der Wunde sehen!“
„Lieber jetzt nicht gleich. Wir müssen fort!“
„Wegen der sechs Bleichgesichter da drüben?“
„Ja. Unser Feuer brennt wieder. Wenn sie umkehren, können sie uns mit der größten Bequemlichkeit auslöschen.“
„Sie kommen nicht, denn die Stimme dessen, welcher sprach, klang sehr ängstlich. Die Vorsicht treibt uns dennoch fort, vorher aber muß ich die Wunde untersuchen; sie steht schon lange offen; mein Bruder muß schon sehr viel Blut verloren haben; darum können wir es nicht länger hinausschieben, ihn zu verbinden.“
„So mag Hammerdull recht viel Holz in das Feuer werfen, daß es eine hell hinüberleuchtende Flamme gibt, und die andern mögen mit schußfertigen Gewehren das Ufer drüben bewachen und sofort schießen, wenn ein Zweig sich regt!“
Die Untersuchung der Wunde ergab ein günstig-ungünstiges Resultat, günstig, weil das Oberschenkelbein unverletzt war, und ungünstig, weil die Wunde eine Eiterwunde zu werden versprach. Die Kugel war bis auf den Knochen durch die Weichteile gedrungen und wurde von Winnetou mit dem Messer herausgeholt. Sie war einseitig plattgedrückt und hatte mit der dadurch entstandenen Kante, zumal sie matt geworden war, keine glatte Wunde geschlagen, sondern das Fleisch zerfetzt. Das verhieß Wundfieber, heftige Schmerzen und eine langsame Heilung, vielleicht gar mit zurückbleibender Hyperostose. Fatal! Grad jetzt, wo jede Verzögerung unsers Rittes so bedenklich war!
Glücklicherweise führte ich einige reine Tücher in der Satteltasche mit. Indem mir Winnetou den einstweiligen Verband anlegte, sagte er:
„Es ist sehr gut, daß mein Bruder gelernt hat, Schmerzen nach der Art der roten Krieger zu ertragen. Wenn wir nicht in kurzer Zeit genug Tschitutlischi (Apatschensprache: Wundkraut) finden, wird eine böse Entzündung eintreten; finden wir aber genug davon und vorher auch eine Dentschu-tatah (Beizkraut), so hoffe ich, weil du eine so kräftige Natur und sehr gesundes Blut besitzest, daß du diese Verwundung nicht schwer überwinden wirst. Hoffentlich kannst du jetzt reiten?“
„Natürlich! Ich habe keine Lust, den schwachen Patienten zu spielen.“
„So wollen wir unserer Sicherheit wegen diesen Ort verlassen und einen andern suchen. Doch nimm dich in acht, daß keine neue Blutung entsteht!“
Wir verließen die für mich so unangenehm gewordene Stelle und folgten dem Creek fast eine Stunde lang abwärts, wo wir abstiegen und wieder ein Feuer anzündeten. Es wurden einige harzreiche Äste gesammelt, welche als Leuchten beim Pflanzensuchen dienen sollten; die drei Indianerhäuptlinge zündeten sie an und entfernten sich, um für ihren angeschossenen Freund und Bruder Shatterhand botanisieren zu gehen.
Dick Hammerdull hatte sich neben mich gesetzt. Er hielt seine alten, guten Augen zärtlich auf mich gerichtet, strich mir plötzlich einmal mit überquellender, besorgter Zärtlichkeit über die Wange und knurrte
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