09 - Old Surehand III
hatte sich gewehrt. Sein Gesicht war zerschlagen und zerkratzt; es blutete noch jetzt; er sah schrecklich aus. Nachdem er einen Blick um sich geworfen hatte und mir ansehen mochte, daß ich hier der Wortführer sei, wendete er sich an mich:
„Wer hat mich aus dem Keller gelassen?“
„Wir“, antwortete ich.
„Wie heißt Ihr?“
„Old Shatterhand.“
„Ist das nicht der Name eines bekannten Westmannes?“
„Ja.“
„Aber die Roten hier! Ist denen zu trauen?“
„Sie sind berühmte Häuptlinge ihrer Nation und gewohnt, jeden Bedrängten zu beschützen.“
„Well, so seid ihr zur rechten Zeit und an den rechten Ort gekommen, Mesch'schurs! Ist das nicht entsetzlich, daß Rote kommen müssen, um einen ehrlichen Menschen gegen weiße Schurken zu beschützen? Ihr glaubt nicht, was das für armselige, niederträchtige Halunken sind!“
„Ich glaube es, denn wir kennen sie.“
„Ah?!“
„Ja. Wir haben auch eine Rechnung mit ihnen.“
„Ist sie groß?“
„Ziemlich. Der Kerl dort mit dem verbissenen Bulldoggengesicht hat gestern abend auf mich geschossen, um mich zu töten.“
„Gott sei Dank!“
„Wie? Ihr dankt Gott, daß er auf mich einen Mordanschlag verübt hat?“
„Ja. Warum sollte ich nicht?“
„Na! Nehmt es mir nicht übel, aber das ist ja sehr freundlich von Euch!“
„Ganz und gar nicht! Das werden diese Kerle bald erkennen. Ich danke Gott zweimal, nämlich das erste Mal dafür, daß Ihr nicht getötet worden seid, denn da habt Ihr kommen und mich hier herauslassen können, und das zweite Mal allerdings dafür, daß auf Euch geschossen worden ist, denn da habt Ihr das Recht, kurzen Prozeß mit dem Meuchelmörder zu machen, obgleich er Euch nicht getroffen hat.“
„Er hat mich getroffen!“
„Ah! Wirklich? Ist das wahr?“
„Ja.“
„Man sieht Euch aber nichts an!“
„Die Kugel traf mich hier in den Oberschenkel. Ich habe eine schwere Beinwunde davongetragen. Hier seht Ihr doch das Blut!“
„Gott sei Dank!“
„Schon wieder solch ein Dank?!“
„Ja, nun zum drittenmal!“
„Wofür?“
„Daß Ihr verwundet worden seid.“
„Hört, jetzt werdet Ihr wirklich ganz außerordentlich liebenswürdig!“
„Wie man es nimmt! Wenn er Euch getroffen hat, so geht es ihm an das Leben, und das freut mich natürlich ungemein!“
„Was habe ich davon?“
„Das Bewußtsein, daß ein Schurke weniger auf dem Erdboden ist.“
„Lindert das meinen Schmerz? Heilt das meine Wunde?“
„Hört, wollt Ihr ihn etwa laufenlassen?“
„Fällt mir nicht ein!“
„So sagt, was mit ihm geschehen soll!“
„Wir werden eine Savannenjury einsetzen, welche darüber zu entscheiden hat.“
„Das ist recht. Darf ich mit dazugehören?“
„Dürfen? Ihr müßt sogar mit dabeisein. An Euch haben sie sich doch auch vergangen.“
„Und wie! Wenn es auf mich ankommt, wird ihnen ihr letzter Nagel eingeschlagen. Wann denkt Ihr, daß diese Jury zusammentritt?“
„Möglichst bald.“
„Am besten gleich jetzt!“
„Ist mir recht.“
„Wo?“
„Draußen vor dem Haus. Ein Savannengericht muß bekanntlich möglichst unter freiem Himmel stattfinden, wie Ihr gehört haben werdet.“
„Da reißen uns die Kerle aus!“
„Das sollen sie versuchen! Übrigens können wir sie ja binden.“
„Well! Das kann mir gefallen. Riemen und Leinen habe ich genug.“
„Soll ich sie holen?“ fragte sein Sohn mit großer Bereitwilligkeit.
„Ja, hole sie! Sie hängen draußen.“
Da ergriff Toby Spencer das Wort:
„Tut nur nicht, als ob ihr unsere Richter seid und über uns aburteilen wollt! Ihr seid die Kerle nicht dazu. Binden lassen wir uns nicht!“
Da trat der Schmied zu ihm hin, hielt ihm die knochige Faust vor das Gesicht und sagte:
„Schweig, Kanaille! Wenn du etwa noch groß aufbegehren willst, mache ich außer der Jury noch einen Extratanz mit dir! Verstanden?“
Der Sohn brachte die Stricke und Riemen. Ich gab den Befehl:
„Bindet sie der Reihe nach, wie sie dasitzen! Wer sich wehrt, bekommt Hiebe!“
„Ja, hauen wir sie!“ jubelte der Schmied. „Ich habe so mehrere schwanke Stöcke draußen; die mag der Boy auch hereinholen!“
Sein Sohn ging und brachte sie.
Das half. Sie schimpften zwar gewaltig, leisteten aber keinen tätlichen Widerstand; bald lagen sie, lang ausgestreckt, nach Westmannsart gebunden da. Der Schmiedeboy bekam den Auftrag, sie streng zu bewachen; dann gingen wir hinaus. Ich hatte die Absicht gehabt, die Rowdies mit hinauszunehmen; da dies
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