09 - Old Surehand III
Das gibt bis dorthin einen Weg von zwei Meilen. Da sie nicht halten, sondern weiterreiten werden, müssen wir ihrer Spur folgen, was sehr schwer sein wird, weil es inzwischen dunkel geworden ist.“
„Mein Bruder hat recht“, stimmte er bei.
„Ich möchte sie im Vorbeireiten beobachten!“
„Dazu ist die Zeit zu kurz. Ja, wir beide kämen noch hin, weil wir die besten Pferde haben, aber unsere Gefährten nicht.“
„So reiten wir allein, und die Kameraden mögen uns langsamer nachkommen. Da wir auf dem offenen Park keine Spuren machen dürfen, haben sie sich längs dieses Waldrandes unter den Bäumen zu halten und sich drüben bei der andern Ecke, auch immer am Rand hin, nordwärts zu wenden. Sie sehen die hohe Baumgruppe, welche da oben hoch über den Wipfeln emporragt; dort mögen sie uns erwarten.“
„Winnetou stimmt seinem Bruder bei; sie mögen dort auf uns warten, aber ja kein Feuer anzünden, durch welches sie sich verraten würden!“
Wir trennten uns also von ihnen und jagten unter den Bäumen des Waldrandes erst west- und dann, als wir die südwestliche Ecke erreicht hatten, nordwärts. Das wurde uns nur dadurch möglich, daß die Bäume nicht dicht beisammenstanden; dennoch mußten wir gut aufpassen, denn es gab hervorragende Wurzeln und maskierte Löcher genug, welche uns zu Fall bringen konnten.
Unser jetziger Weg war, da er eine Ecke bildete, fast drei Meilen lang, während es von da aus, wo wir die Krähen über dem Wald gesehen hatten, bis zum Park nur wenig über eine halbe Meile war; aber die Ankömmlinge ritten bergauf, also wahrscheinlich langsam, und wir flogen in schlankem, wenn auch vorsichtigem Galopp hin, so daß wir hoffen durften, noch vor ihnen an der nordwestlichen Ecke des Parks anzukommen.
Bevor wir diese erreicht hatten, hielten wir an, um unsere Pferde zurückzulassen. Wir banden sie an einer dazu geeigneten Stelle an und gingen dann zu Fuß weiter, bis wir an den oberen Rand einer Vertiefung gelangten, welche hinunter in das Tal zu führen schien. Dies war jedenfalls der Weg, auf welchem die Erwarteten herauf geritten kamen. Sie waren noch nicht vorüber, denn als wir uns zwischen den Sträuchern so weit vorschoben, wie es möglich war, und hinunter in die Vertiefung blickten, war keine Spur, weder eines Menschen noch eines Pferdes, zu sehen.
Erfreut darüber, daß wir noch zur rechten Zeit gekommen waren, lauschten wir gespannt nach unten. Es dauerte nicht lange, so hörten wir die nahenden Schritte eines Pferdes. Sollten wir uns geirrt haben? Sollte es ein einzelner Reiter anstatt einer ganzen Schar sein? Höchst unwahrscheinlich! Jedenfalls ritt einer als Späher voran.
Jetzt erschien er. Wir sahen erst seinen Kopf über das Gesträuch ragen, und dann erblickten wir ihn und sein Pferd in voller Gestalt. Es war ein Utah-Indianer, und zwar ein Häuptling; er hatte zwei Adlerfedern in dem Haarschopf stecken. Sein Pferd – – –
Mein Himmel! Sein Pferd – – –! Ja, sah ich denn recht? Das war ja ganz genau, Haar für Haar, das Pferd, welches ich damals dem Häuptling der Komantschen aus dem Kaam-kulano entführt und später Old Surehand geschenkt hatte! Winnetou stieß mich an und sagte leise:
„Uff! Dein Komantschenpferd! Das Pferd unseres Bruders Surehand!“
„Ja, es ist es; es ist es ganz gewiß!“ antwortete ich ebenso leise.
„Wenn sie ihn gefangen und getötet hätten!“
„Dann wehe ihnen! Kennst du diesen Roten?“
„Ich kenne ihn. Es ist Tusahga Saritsch (Utahsprache: ‚Schwarzer Hund‘), der Häuptling der Utahs vom Capote-Stamm. Ich habe ihn schon mehrmals gesehen.“
„Was für ein Krieger?“
„Nicht tapfer, sondern falsch und voller Hinterlist.“
„Wollen warten und seine Krieger sehen!“
Der Häuptling war vorüber. Nun kamen seine Leute, nach Indianerart, einer hinter dem andern. Wir zählten zweiundfünfzig Mann. In ihrer Mitte ritt auf einem alten Klepper – – – Old Surehand, an den Händen gefesselt und mit den Füßen an das Pferd gebunden.
Wie war er in die Hände der Utahs gefallen? Das fragten wir uns natürlich. Er sah leidend, aber keineswegs niedergeschlagen aus. Es war anzunehmen, daß er sich schon einige Tage bei diesen Roten befand, die ihn wahrscheinlich schlecht behandelt und ihm keine Nahrung gegeben hatten.
Es war jetzt nichts, gar nichts für ihn zu tun. Wir mußten sie vorüberreiten lassen, doch stand fest, daß wir alles zu seiner Befreiung aufzuwenden und zu wagen hatten. Als wir die
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