09 - Old Surehand III
einverstanden?“
Natürlich waren wir es. Wir hobbelten die Pferde eng und gingen im Gänsemarsch auf das betreffende Gebüsch zu. Dort angekommen, sahen wir, vielleicht hundert Schritte von uns entfernt, den Grizzly bei dem Büffel. Er wendete uns den Rücken zu und grub mit den Tatzen in das Fleisch hinein, um die Röhren bloßzulegen. Nächst dem Gehirn ist das Knochenmark die größte Delikatesse für den grauen Bären. Ungefähr dreißig Schritte von uns lag ein Felsstück von der Größe, daß ein Mann sich hinter ihm verbergen konnte. Der Osage deutete auf dasselbe und sagte:
„Mein Bruder Surehand legt sich an diesen Stein; ich gehe zum Bären und hole ihn; das wird so leicht wie ein Spiel der Knaben sein.“
Ich war ebensowenig wie Winnetou dieser Meinung Schahko Mattos. Die Entfernung von dem Bären bis zum Felsen war zu groß; aber um den Stolz des Osagen nicht zu verletzen, schwiegen wir.
Er ließ sein Gewehr bei uns zurück, legte sich auf die Erde und kroch auf den Felsen zu, diesen natürlich als Deckung gegen den Bären nehmend. Old Surehand folgte ihm, selbstverständlich mit dem Gewehr, in derselben Weise. Bei dem Stein angekommen, blieb Old Surehand dort liegen, während der Osage weiter kroch.
Der Bär merkte noch immer nichts von dem, was gegen ihn im Werke war. Wir hörten trotz der weiten Entfernung die Knochen zwischen seinen Zähnen krachen. Schahko Matto schob sich vorwärts, weiter, immer weiter; das war mehr unvorsichtig als mutig.
„Uff!“ sagte der Apache. „Wir wollen unsere Gewehre bereithalten. Der Häuptling der Osagen weiß den Weg nicht einzuteilen!“
Ich konnte Schahko Matto auch nicht begreifen; er zog die Schnelligkeit eines Grizzlys gar nicht mit in Berechnung. Er durfte sich nur so weit von Old Surehand entfernen, daß er auf dem Rückwege nicht von dem Bären eingeholt werden konnte. Anstatt aber den Grizzly so aufmerksam zu machen, daß er, von ihm gefolgt, noch vor ihm bei Old Surehand ankam, kroch er weiter, immer weiter! Da legte Winnetou beide Hände an den Mund und rief:
„Anhalten, Schahko Matto! Anhalten und aufstehen!“
Der Osage hörte es und erhob sich. Der Bär hatte es auch gehört und drehte sich nach der Gegend um, aus welcher die Stimme kam. Er sah den Indianer und trabte augenblicklich auf ihn zu. Was das zu bedeuten hatte, wird daraus klar, daß der Trab eines Grizzly gleich dem Galopp eines Pferdes ist. Schahko Matto war ihm auf zwanzig Schritte nahe gekommen, hatte also bis zu Old Surehand fünfzig zurückzulegen; er mußte vor der Zeit von dem Bären eingeholt werden! Dazu kam, daß Old Surehand, wenn er den Petz wirklich nicht nur verwunden, sondern erlegen wollte, nicht eher schießen durfte, als bis dieser sich aufrichtete und dabei die Brust zum Ziele bot. Ich rief ihm also hastig zu: „Jetzt ja nicht schießen, Mr. Surehand! Ich werde den Osagen beschützen!“
Ich legte also meinen Bärentöter an und wartete. Schahko Matto hatte wohl noch nie in seinem Leben solche Sprünge gemacht wie jetzt; es war aber vergeblich; der Grizzly kam ihm rapid näher.
„Schahko Matto, eine Wendung zur Seite machen!“ schrie ich ihm zu.
Er und der Bär kamen nämlich in einer geraden Linie auf uns zu; es konnte also niemand auf das Tier schießen, ohne den Menschen zu treffen. Er achtete aber nicht auf meinen Ruf und rannte geradeaus weiter. Da sprang ich hinter dem Busch weit hervor und schrie ihm die Warnung wieder zu; der Bär war nur drei Schritte hinter ihm. Jetzt verstand er mich und bog rasch seitwärts ab; nun hatte ich freies Ziel und der Bär bekam meine Kugel, noch ehe er ihm folgen konnte. Es war natürlich kein Schuß auf den Tod; ich wollte dem Grizzly nur einen Halt gebieten, und das gelang; er ließ den Osagen laufen und blieb stehen. Den Kopf hin und her bewegend, sah er sein Blut laufen und hob die Tatze nach der Wunde, welche meine Kugel ihm unterhalb des Halses geschlagen hatte. Diesen Augenblick ergriff Old Surehand, indem er sich hinter dem Felsen aufrichtete und kühn auf den Bären zuschritt; die Entfernung betrug ungefähr dreißig Fuß. Der Grizzly sah ihn kommen und richtete sich auf. Old Surehand ging unentwegt weiter und gab ihm die erste und nach einigen Schritten die zweite Kugel in die Brust. Dann warf er das Gewehr weg und zog das Messer. Diese Vorsicht war aber glücklicherweise überflüssig; auch dieser ‚Vater Ephraim‘ hatte genug; er fiel um, wälzte sich einigemal hin und her, zuckte konvulsivisch mit
Weitere Kostenlose Bücher