09 - Old Surehand III
hatten.
Wir konnten aber nichts entdecken, denn wir hatten den Paß und die ihm folgenden Engen hinter uns und ritten in den Hochwald ein, der solche Gelegenheit, sich auszubreiten, bot, daß wir, um eine Spur zu finden, ihn hätten tagelang absuchen müssen.
Es war die Kuppe des Pah-sawehre-payew, welche wir jetzt erreicht hatten. Sie war mit Hochwald bedeckt, unter welchem wir wie in einem Dom ritten, durch dessen dichtes Laubdach nur zuweilen ein Sonnenstrahl zu dringen vermochte. Das war der Urwald des Nordens, welcher in dieser Höhenlage gedeihen konnte.
Wir ritten stunden- und stundenlang unter diesem Dach immer bergauf. Es wurde unter demselben dunkel, weil die Sonne jenseits niedersank, und wir mußten die Pferde antreiben, um noch vor Nacht den See des ‚Grünen Wassers‘ zu erreichen.
Endlich waren wir oben! Die Sonne hatte sich von dieser Seite des Gebirges schon verabschiedet, aber es war noch licht genug, den See, so weit das Auge reichte, überblicken zu können. Ich sage, so weit das Auge reichte, denn das gegenseitige Ufer konnten wir nicht sehen; dazu war er zu groß. Von der hellgrünen Färbung, welche sein Name andeutete, denn Pah heißt in der Utahsprache ‚Wasser‘ und sawehre ‚hellgrün‘, bemerkten wir jetzt, da es schon zu dunkeln begann, nichts. Er war, so weit wir ihn überblicken konnten, vom Wald umgeben. Wir befanden uns an seinem östlichen Ende. Sein südliches Ufer bildete eine von keiner Bucht unterbrochene Bogenlinie, während an seinem nördlichen eine breite, auch dicht bewaldete Halbinsel hervortrat. Um diese Halbinsel zu erreichen, hätten wir noch eine Viertelstunde weiterreiten müssen; es gab aber für uns keinen Grund, dort Lager zu machen, und so blieben wir da, wo wir uns befanden.
Hammerdull und Holbers liefen umher, um, so lange man noch sehen konnte, dürres Holz zusammenzusuchen. Als sie so viel gesammelt hatten, wie wir für die Nacht brauchten, wollten sie Feuer anzünden. Der Apache aber untersagte es ihnen:
„Jetzt noch nicht! Ein Feuer glänzt weit in den See hinaus, und wir haben heute Pferdespuren gesehen. Es können Menschen am Wasser sein, die von uns nichts wissen dürfen. Wir wollen warten, bis es dunkel geworden ist; dann wird es sich finden, ob wir uns erlauben können, hier zu bleiben und ein Feuer anzubrennen.“
Wir gaben die Pferde frei und streckten uns nieder. Es wurde schnell dunkel, und da zeigte es sich auch sofort, daß die Vorsicht Winnetous wohlbegründet gewesen war, denn an dem nach uns gerichteten Ufer der Halbinsel leuchtete ein Feuer auf. Es waren also Menschen dort! Und wenige Minuten später sahen wir an derselben Seite des Sees, aber weit, weit unten, ein zweites erscheinen, welches allerdings nur einem guten Auge sichtbar war, denn es bildete für uns nur einen kleinen Punkt von der Größe eines Zehnpfennigstückes ungefähr. Die Leute auf der Halbinsel konnten weder dieses zweite Feuer sehen, noch von dort aus gesehen werden; nur von uns aus waren beide zu erkennen.
Damit waren wir für heut auf kaltes Fleisch angewiesen. Wir hätten uns zwar wieder in den Wald zurückziehen und ein Feuer anzünden können, aber dort gab es kein Futter für die Pferde. Wir entschädigten uns für die Unbenutzbarkeit des einen Elementes dadurch, daß wir uns dem andern in die Arme, nämlich in das Wasser warfen. Nach diesem Bad galt es zu erfahren, wer die Leute waren, welche sich an den beiden Feuern befanden. Daß Winnetou dazu ausersehen wurde, verstand sich ganz von selbst, und daß er meine Begleitung annahm, erreichte ich nur durch die Versicherung, daß mir meine Wunde keine Belästigung verursache, sonst hätte er Old Surehand mitgenommen.
Wir übergaben den Gefährten unsere Gewehre und machten uns auf den bei Nacht nicht sehr bequemen Weg. Wir mußten zunächst so weit in den Wald hinein, wie der Saum des Unterholzes reichte; dann ging es, beide Hände zum Tasten ausgestreckt, rund um die Uferbiegung nach der nördlichen Seite des Sees. Ich möchte fast behaupten, daß ein Kurierzug schneller fährt, als wir hier gehen konnten, denn es war gewiß eine volle Stunde vergangen, als wir die Halbinsel erreichten. Wir bogen also links ab und auf dieselbe zu. Bald spürten wir den Geruch des Rauches, und dann dauerte es nicht lange, bis wir das Feuer sahen.
Nun legten wir uns nieder und krochen am Boden weiter. Die Halbinsel hatte einen Einschnitt, eine kleine Bucht, an deren Innenseite das Feuer brannte. Wenn wir den Rand dieser
Weitere Kostenlose Bücher