09 - Old Surehand III
Steinbrüche zu besuchen, und traf dabei auf Winnetou und Old Shatterhand, welche in die Berge wollten. Da habe ich meinen Pfad geändert und bin mit ihnen geritten.“
„Uff, uff! Häuptling der Komantschen! Es kann nicht sein; es kann nicht sein!“
Er starrte Apanatschka noch immer so forschend an, daß dieser fragte:
„Kennst du mich? Hast du mich schon einmal gesehen?“
„Ich muß, ich muß dich gesehen haben, doch wird es wohl im Traum gewesen sein, im Traum meiner Jugend, die schon längst vergangen ist.“
Er gab sich Mühe, seine Aufregung zu beherrschen, reichte ihm die Hand und fuhr fort:
„Sei auch du mir willkommen! Es ist heut ein Tag, wie wenige Tage sind!“
Er kehrte zu Winnetou zurück, bei dem ich inzwischen Platz genommen hatte, und ließ sich, Apanatschka immer noch betrachtend, in einer Weise auf seinen früheren Sitz nieder, als ob er sich noch heut im ‚Traum seiner Jugend‘ befinde. Ein solches Verhalten ist bei einem Indianer eine Seltenheit, welche nicht unbeachtet bleiben kann. Sie fiel Winnetou nicht weniger auf als mir, doch ließen wir uns nichts davon merken, so hochinteressant die Szene für uns beide gewesen war.
Die Pferde wurden zur Tränke geführt und dann mit grünem Laubwerk zum Fressen wohl versorgt. Zwei Mann sammelten Dürrholz zum Feuer, welches angesteckt wurde, sobald es dunkelte, und um dieselbe Zeit ging Pitt Holbers fort, um als der erste am Taleingang Posten zu stehen. Er sollte von Treskow abgelöst werden, worauf wir nach der gewöhnlichen Reihe folgen wollten.
Wir saßen alle in einem weiten Kreis, in dem das Feuer brannte. Wir waren mit Proviant versehen und teilten Kolma Putschi davon mit, da wir glaubten, daß er nichts zu essen habe.
„Meine Brüder sind freundlich zu mir“, sagte er; „aber ich könnte ihnen auch Fleisch geben, daß sie alle satt würden.“
„Wo hast du es?“ fragte ich.
„Bei meinem Pferd.“
„Warum hast du es nicht mit hierher genommen?“
„Weil ich nicht hierbleiben, sondern weiterreiten wollte. Es steht an einem Ort, wo es sicherer ist als hier.“
„Hältst du dieses Camp nicht für sicher?“
„Für einen einzelnen nicht; da ihr aber so zahlreich seid, daß ihr Wachen ausstellen könnt, habt ihr nichts zu befürchten.“
Ich hätte dieses Gespräch gern fortgesetzt; er verhielt sich aber so einsilbig, daß ich davon abließ, ihn zu animieren. Natürlich fragte er, wohin wir wollten. Als er erfuhr, daß der Park von San Louis unser Ziel sei, wurde er noch schweigsamer als vorher; das konnte uns weder auffallen noch beleidigen. Im wilden Westen ist der Mensch selbst gegen gute Bekannte vorsichtiger als anderswo. Nur Dick Hammerdull war unzufrieden, daß von diesem fremden Indianer so wenig zu erfahren war; er wollte mehr erfahren und fragte ihn in seiner vertraulichen Weise:
„Mein roter Bruder hat gehört, daß wir von Kansas heraufgekommen sind. Dürfen wir nun wissen, woher er gekommen ist?“
„Kolma Putschi kommt von daher und von dorther; er ist wie der Wind, der alle Wege hat“, lautete die unbestimmte Antwort.
„Und wohin wird er von hier aus gehen?“
„Dahin und dorthin, wohin sein Pferd die Schritte lenkt.“
„Well! Ob dahin oder ob dorthin, das ist ja ganz egal; das bleibt sich vollständig gleich; aber man muß doch wenigstens wissen, wohin das Pferd zu laufen hat! Oder nicht?“
„Wenn Kolma Putschi es weiß, ist es genug.“
„Oh! Ich brauch es also nicht zu wissen?“
„Nein.“
„Das ist sehr aufrichtig; das ist nicht nur aufrichtig, sondern sogar grob! Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes – – –“
Er bemerkte, daß Holbers jetzt nicht da war, und verschluckte also das letzte Wort seiner Frage. Kolma Putschi wendete sich vollständig zu ihm hin und sagte in ernstem Ton zu ihm:
„Das Bleichgesicht, welches Hammerdull genannt wird, nennt mich grob. War es vorher fein und höflich, mir den Mund öffnen zu wollen, wenn ich es liebe, daß er geschlossen bleibt? Der dicke Mann scheint den Westen nicht genau zu kennen. Es ist da stets gut, wenn niemand weiß, woher man kommt und wohin man will. Wer sein Ziel verschweigt, dem kann die Gefahr nicht vorauseilen, um ihn dort zu überfallen. Das mag Hammerdull sich merken!“
„Danke!“ lachte der Zurechtgewiesene. „Schade, jammerschade, Mr. Kolma Putschi, daß Ihr kein Schulmeister geworden seid! Die Begabung hättet Ihr dazu! Übrigens war es nicht bös von mir gemeint. Ihr gefallt mir außerordentlich,
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