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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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während wir rechts abgeritten waren! Da fiel mir die Wasserflasche ein, und es wurde mir mit einem Mal klar, was wir in Beziehung auf sie für einen Fehler begangen hatten.
    Der alte König der Cowboys hatte sich grad vor mich hingesetzt. Die Freude, mich gefangen zu haben, lachte höhnisch aus jeder Runzel und Falte seines verwitterten Gesichtes. Das schlangengleich in einzelnen Strähnen von seinem Kopf fallende lange, graue Haar verlieh ihm das Aussehen einer greisenhaften, männlichen Eumenide oder Gorgone, aus deren krakenähnlichen Fangarmen kein Entrinnen ist. Die oft wechselnde Beleuchtung des bald hoch aufflackernden und bald zusammensinkenden Feuers gab ihm etwas so grotesk Phantastisches und ließ seine langgliederige, wabbelnde Gestalt so wunderlich erscheinen, daß ich hätte glauben mögen, mich innerhalb einer Märchenszene zu befinden, wenn mir nicht so sehr bewußt gewesen wäre, daß ich es leider nur mit der nackten, unpoetischsten Wirklichkeit zu tun hatte.
    Ich hätte ihm auf seine Frage wohl keine bessere Antwort geben können als die, welche er bekommen hatte; er nahm sie als das, was sie war, nämlich eine Verhöhnung, und fuhr mich zornig an:
    „Seid nicht so frech, sonst schnalle ich Euch die Fesseln so fest, daß Euch das Blut aus der Haut spritzt! Ich habe keine Lust, mich von Euch lächerlich machen und beleidigen zu lassen. Ich bin kein Indianer! Versteht Ihr, was ich damit sagen will?“
    „Ja, daß Ihr überhaupt nicht zu den Wesen gehört, die man Menschen nennt!“
    „Zu welchen denn?“
    „Steigt so weit wie möglich im Tierreich herunter und sucht Euch da das häßlichste, gemiedenste Geschöpf heraus, so habt Ihr, was Ihr seid!“
    Er ließ ein heiseres Lachen hören und rief:
    „Der Kerl ist wirklich so albern, daß er mich nicht verstanden hat! Ich habe gesagt, Ihr sollt bedenken, daß ich kein Indianer bin. Die Roten schleppen ihre Gefangenen lange Zeit mit sich herum, um sie nach ihren Weideplätzen zu bringen; sie füttern sie gut, um sie zum Aushalten vieler Qualen kräftig zu machen. Dadurch wird, wie ich in Eurer Gesellschaft selbst erfahren habe, den Gefangenen Gelegenheit geboten, einen zur Flucht günstigen Augenblick abzuwarten. Wer keine Hoffnung zum Entkommen hat und schnell und schmerzlos sterben will, der pflegt darum das alte, abgegriffene Mittel anzuwenden, die Indsmen, in deren Hände er geraten ist, so zu beleidigen, daß sie sich im Zorn darüber vergessen, ihn augenblicklich zu töten. Wenn Ihr etwa glaubt, zwischen diesem Entweder und diesem Oder wählen zu können, so befindet Ihr Euch im Irrtum. Ihr findet bei mir keine Gelegenheit zur Flucht, weil es mir gar nicht einfallen kann, Euch lange mit mir herumzuzerren; aber Ihr bringt mich auch nicht so weit, Euch rasch die Kugel oder das Messer zu geben und also auf den Genuß zu verzichten, den ich haben werde, wenn Ihr so recht hübsch langsam aus diesem Leben in Eure berühmte Seligkeit hinüberschmachtet. Ich habe es nämlich mit Euch so gut vor, daß es Euch selbst da drüben in der Seligkeit unmöglich sein wird, es mir genug zu danken. Könnt Ihr Euch noch besinnen, was Ihr mir während jenes nächtlichen Rittes durch den Llano estacado alles vom ewigen Leben vorgefaselt habt?“
    Ich antwortete nicht, und er fuhr fort:
    „Nach Eurer Ansicht muß es da drüben so wundervoll sein, daß es mich als Euern besten Freund, der ich doch jedenfalls bin, von Herzen jammert, Euch hier im Erdenleben schmachten zu sehen. Ich werde Euch also die Tür Eures Paradieses öffnen und durch einige kleine Unbehaglichkeiten, die ich Euch dabei bereite, dafür sorgen, daß Euch die jenseitigen Herrlichkeiten um so vollkommener erscheinen.“
    „Habe nichts dagegen“, bemerkte ich in möglichst gleichgültigem Ton.
    „Das bin ich überzeugt! Darum hoffe ich, daß Ihr mir für die Liebe, welche ich Euch damit erweise, einen Gefallen tut. Ich möchte nämlich gar zu gern wissen, wie es da drüben ist. Wolltet Ihr mir nach Eurer seligen Abreise einmal als Geist oder Gespenst erscheinen, um mir Auskunft zu erteilen, so würde mich das zu großer Dankbarkeit verpflichten, und Ihr könntet meinerseits des herzlichsten Willkommens sicher sein. Wollt Ihr das tun, Mr. Shatterhand?“
    „Gern! Ich werde sogar noch mehr tun, als Ihr verlangt; ich werde noch vor meinem Tod über Euch kommen, und zwar in einer Weise, daß Ihr tausend Gespenster anstatt nur eines sehen werdet!“
    „Well, darüber sind wir also einig“, lachte

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