09 - Old Surehand III
müssen! Wenn ich doch nur könnte und dürfte, wie ich wollte – – –!“
„Ja, ja; es fehlt Euch überall! Nicht einmal den Wawa Derrick habt Ihr allein spedieren können; Ihr habt Euch helfen lassen müssen!“
Seine Augen wurden größer; er richtete sie starr auf mich. Er schien mir durch und durch blicken zu wollen, und als ich trotzdem mein unbefangen lächelndes Gesicht beibehielt, rief er aus:
„Was hat dir der verfluchte Kerl, der junge Bender, denn damals weisgemacht?“
Ach! Bender! Dieser Name fängt mit B. an. Ich dachte sofort an die Buchstaben J.B. und E.B. droben am Grab des ermordeten Padre Diterico. Wer war aber unter dem Namen Bender gemeint? So freilich durfte ich nicht fragen; ich gab meiner Erkundigung also eine andere Fassung, indem ich sie so schnell aussprach, daß er keine Zeit zum vorsichtigen Überlegen fand:
„Damals? Wann denn?“
„Damals im Llano estacado, wo er bei dir war und mit seinem eigenen Bru – – –“
Er hielt erschrocken inne. Mir ging im kürzesten Teil einer Sekunde, den das menschliche Gehirn noch zu empfinden oder zu messen vermag, ein blitzheller Gedanke auf, und ich setzte seinen unterbrochenen Satz ebenso schnell fort:
„– – – mit seinem eigenen Bruder kämpfte? Pshaw! Was er mir damals sagte, wußte ich schon längst, wußte es noch viel besser als er selbst! Ich hatte schon viel früher Gelegenheit gehabt, nach dem Padre Diterico zu forschen!“
„Di – te – ri – – –?!“ dehnte er erschrocken.
„Ja. Solltet Ihr diesen Namen nicht gern aussprechen, so können wir auch Ikwehtsi'pa sagen, wie er in seiner Heimat bei den Moqui genannt wurde.“
Zunächst war er wortlos; aber es arbeitete in seinem Gesicht; er schluckte und druckte und druckte und schluckte wie einer, dem ein übergroßer Bissen im Schlund steckengeblieben ist; dann stieß er einen lauten, heiseren Schrei aus und brüllte:
„Hund, du hast mich jetzt wieder überlistet, wie du uns damals alle überlistet hast! Du mußt und mußt und mußt unschädlich gemacht werden! Nimm das dafür!“
Er riß das Gewehr wieder empor; der Hahn knackte, und – – –
Cox spornte sein Pferd wieder heran; er wäre aber doch zu spät gekommen, mich vor der Kugel des Wütenden zu retten, wenn ich mir nicht selbst geholfen hätte. Ich bog mich vor, um die Zügel mit gefesselten Händen ganz vorn und kurz fassen zu können, preßte die Füße in die Weichen des Pferdes und rief:
„Tschka, Hatatitla, tschka! (Hoch, Blitz, hoch!)“
Dieser Zuruf, den der Rappe sehr wohl verstand, mußte die Nachteile, welche meine Fesseln mir als Reiter brachten, ausgleichen. Der Hengst zog den Körper wie eine Katze zusammen und brachte mich mit einem gewaltigen Satz so eng, daß sie die Pferde streiften, an Thibaut vorüber. Mein Bein traf mit aller Kraft dieses Satzes das seinige und, mitten im Sprung die Zügel fallen lassend, stieß ich ihm die zusammengebundenen Fäuste so in die Seite, daß er, grad als sein Schuß losging, halb abgestreift und halb abgeschleudert auf der andern Seite aus dem Sattel und in einem weiten Bogen auf die Erde flog.
Es gab in diesem Augenblick unter den Anwesenden außer Winnetou und der Wahnsinnigen keinen, der nicht einen Schrei des Schreckens, der Überraschung, der Anerkennung ausgestoßen hätte. Mein prächtiger Hengst aber hatte nur diesen Satz getan, keinen einzigen weitern Schritt, und stand dann so ruhig, wie aus Erz gegossen, da. Ich drehte mich nach dem Medizinmann um. Er raffte sich auf und holte sein Gewehr, welches ihm entfallen war. Seine Augen funkelten vor Wut. Cox nahm ihm das Gewehr aus der Hand und zürnte:
„Ich werde Euer Gewehr halten, bis Ihr fortreitet, Sir, sonst richtet Ihr noch Unheil an! Ich habe Euch gesagt, daß ich keine Feindseligkeit, wenigstens keine tätliche, gegen Old Shatterhand dulde!“
„Laßt ihn nur; laßt ihn immer!“ sagte ich. „Wenn er sich wieder an mich wagt, kommt es noch besser! Ich habe ihn übrigens gewarnt, sich in acht zu nehmen. Der Mensch ist wirklich ganz unheilbar stupid!“
Da keuchte der vor Wut förmlich Zitternde:
„Tötet Ihr ihn, Mr. Cox? Werdet Ihr ihn töten?“
„Ja“, nickte der Gefragte. „Sein Leben ist Old Wabble zugesprochen.“
„Gott sei Dank! Sonst hätte ich ihn doch noch erschossen, sobald Ihr mir das Gewehr wiedergebt, auch auf die Gefahr hin, dann von Euch erschossen zu werden. Ihr glaubt gar nicht, was für ein oberster aller Teufel dieser Schurke
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