0900 - Der Magier
Schritten kam er auf Robert Tendyke zu.
***
Rola DiBurn fuhr wie eine Irrsinnige.
Millisan Tull, in deren Wagen Zamorra, Nicole Duval und dieser alte Mann saßen, hatte wirklich Probleme der jungen Frau zu folgen. Das Ziel war klar zu erkennen, denn die Rauchwolke wurde immer dunkler und größer. Nicole Duval saß auf dem Beifahrersitz. Im Fond des Geländewagens, den sie über den Schminkspiegel der Sonnenblende gut beobachten konnte, rang Merlin nach Luft; der Zustand des Zauberers veränderte sich praktisch mit jeder Minute.
Sein Körper wollte ganz einfach nicht mehr mitspielen, das war Nicole klar. Doch da war noch ein Rest der alten Magie, der einmaligen Aura vorhanden, die Merlin stets umgeben hatte.
Millisan Tull schlug voller Wut mit beiden Händen auf das Lederlenkrad. »Jetzt hat sie mich abgehängt. Ich kann doch nicht bei jeder Ampel das Rotlicht ignorieren.« Nicole gab keinen Kommentar ab. Sie konzentrierte sich auf Merlin, der zu sprechen begonnen hatte.
»Zamorra, es gäbe noch viel zu besprechen, doch dazu bleibt uns wohl kaum noch die Zeit. Wir werden Lucifuge Rofocale nicht töten können, aber es muss gelingen, ihn nachhaltig zu beeindrucken. Es gibt da noch etwas, das ich tun kann.«
Zamorras Kopf ruckte zu dem Diener der Schicksalswaage herum. Zorn stand im Gesicht des Parapsychologen geschrieben.
»Ja, jetzt bleibt uns keine Zeit mehr, aber die hätten wir früher in Mengen gehabt. Warum hast du dich immer so abweisend verhalten? Warum mussten wir uns immer vorkommen wie Hunde, die dem Befehl ihres Herrn zu gehorchen hatten?«, fragte er bitter. Merlin wollte antworten, doch Zamorra ließ ihm keine Chance dazu. »Ich bin noch nicht fertig. Mehr als nur einmal hätte ich dir die Gefolgschaft am liebsten gekündigt. Du hast dich nur selten wie jemand benommen, der sich wirklich die Menschheit kümmern wollte. Das klingt hart, nicht wahr? Aber so, genau so, ist es gewesen. Und nun fühlst du dein Ende kommen - jetzt fällt dir ein, dass es noch so viel zu besprechen gibt. Jetzt aber ist es dazu zu spät, Merlin.«
Lange herrschte Stille, dann sprach Merlin leise, aber klar verständlich. Seine Stimme hatte beinahe wieder die alte Färbung und Ausstrahlung.
»Was du sagst, Zamorra, das kann ich nicht bestreiten. Doch auch wenn es dir noch einmal wie dummes Gerede vorkommt: Es ging oft nicht anders. Vielleicht hat mich auch das Scheitern der Tafelrunden zu sehr hart gemacht und abgestumpft. Du warst der Kopf der dritten Tafelrunde, doch du warst mir nie so nah wie die beiden zuvor, die ihr Leben gelassen haben. Doch du lebst noch. Und wäre es anders, dann hätte ich keine Hoffnung mehr für diese und die anderen Welten.«
Merlin machte eine Pause, doch er fing sich rasch wieder.
»Wir werden unser Ziel gleich erreicht haben, also hör mir gut zu. Die Hölle steht vor großen Umbrüchen, vor Wandlungen, wie selbst ich sie nie erwartet hätte. Doch ich kann meinen Blick nicht mehr auf das richten, was wirklich kommen wird. Ich kann es einfach nicht mehr, denn dazu gehört eine Kraft, die ich nie wieder besitzen werde. Also musst du mit Andeutungen leben. Ich warne dich, Zamorra! Schärfe deinen Blick, schärfe deinen Verstand. Freund oder Feind? Prüfe, prüfe genau, mit wem du kämpfst, mit wem du es zu tun bekommst! Noch bevor der Wandel vollzogen hat, kann jeder Fehler dein letzter sein.«
Millisan Tull riss den Rover hart in eine Rechtskurve und Zamorra musste sich an der Kopfstütze vor ihm festhalten. Merlin hingegen schien die Rumpelfahrt nicht zu berühren.
»Noch einmal - der Plan der Herrscher darf nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Sollte dies aber geschehen, werden alle Welten, die keine weiße Stadt auf sich tragen, in tiefe Dunkelheit fallen. Ihr werdet die Herrscher bekämpfen müssen.« Für einen langen Moment schwieg Merlin und sah Zamorra mit eigenartigem Blick an. »Doch du wirst sie nicht besiegen können, Zamorra. Du wirst den Kampf verlieren.«
Nicole und Zamorra wechselten einen kurzen Blick. Welche Katastrophen prophezeite der alte Magier ihnen hier? Woher wohl sollten noch Mut und Motivation kommen, wenn einem dies alles in Aussicht gestellt wurde?
»Da, schauen Sie nur hin!« Millisan Tull hatte das Gelände von Tendyke Industries erreicht. Überall Flammen, Rauch, Verletzte und Tote. Dazwischen Trümmerteile, die wohl von einem großen Fahrzeug stammen mochten.
Nahe dem Eingangsportal stand der Rover, in dem Rola DiBurn und Artimus van Zant gesessen
Weitere Kostenlose Bücher