0901 - Aibons Hexenfalle
Einbrecher, eigentlich war nichts vorhanden, was auf ein Fremdeinwirken hingedeutet hätte.
Sich wieder duckend näherte er sich der Wohnzimmertür. Er stieß sie ganz auf, machte Licht und sah seine Vermutung bestätigt. Der Raum war menschenleer.
Ted schüttelte den Kopf. Im Zimmer war es aufgeräumt wie immer. Auf dem Tisch lag aufgeschlagen ein Buch, der neueste Band von Rosamunde Pilcher. Ted wußte, daß Muriel für diese Autorin schwärmte, aber von seiner Krau selbst sah er nichts.
Sie hatte sicherlich hier gesessen, gelesen und auf ihn gewartet. Und dann war plötzlich etwas passiert.
Aber was?
Es mußte mit den verdammten Fäden zusammenhängen, die von jemandem gezogen worden waren.
Von Spinnen?
Nein, das konnte und wollte er sich nicht vorstellen. Sicherheitshalber schaute er noch in der Gästetoilette nach, aber auch dieser kleine Raum war leer.
Es blieb der Weg nach oben, nicht mehr und nicht weniger. Als er sich umdrehte und wie in einer traumhaften Bewegung über sein Gesicht wischte, da sah er plötzlich das Blut an seinen Fingern. Irritiert schaute er sich für einen Moment den Fleck an, bis er das leise Brennen an der Stirn spürte, und zwar dort, wo ihn der Spinnenfaden erwischt hatte, sogar ziemlich schmerzhaft.
Am Handgelenk blutete er nicht. Da war der Faden wahrscheinlich nicht so tief eingedrungen.
Himmel, was tun?
Es blieb der Weg nach oben.
Er verließ die Umgebung der Tür und wandte sich der Treppe zu.
Diesmal achtete er darauf, mit keinem der Fäden in Berührung zu gelangen. Er duckte sich sogar ziemlich tief, und auf der zweiten Hälfte der Treppe ging er auf Händen und Füßen.
Über ihm zitterten die Fäden. Sie schimmerten im Deckenlicht wie ein dünnes, aber durchaus gefährliches Gespinst, das sich nur dann bewegte, wenn Ted Borner in seine Nähe geriet und ein feiner Luftzug ihn begleitete. Er ließ die Treppe hinter sich. Vor ihm lag der Flur. Noch war er dunkel, Borner änderte es sehr bald. Geduckt blieb er stehen und schaute sich in dem hellen Viereck um.
Nichts war zu sehen - bis auf die Fäden!
Verdammt noch mal, sie waren auch hier, und Ted merkte, daß der Kloß größer geworden war. Die einzelnen Fäden kamen ihm sogar dichter vor. Sie hingen zusammen, sie klebten aneinander, und sie bildeten an gewissen Stellen regelrechte Strähnen.
Links lag die Tür zum Schlafzimmer. Daneben die zum Bad. Gegenüber befand sich das Gästezimmer und über ihm die Luke zum kleinen Dachboden, der kaum hoch genug war, um normal stehen zu können.
Es war Teds Haus, es war ihm alles so vertraut, und trotzdem war es fremd.
Die hellen Wände wirkten abstoßend.
Die kleinen Bilder mit den freundlichen Motiven kamen ihm plötzlich häßlich vor. Er hatte das Gefühl, in einer anderen Welt zu stehen, und sein Gesicht bekam einen harten Zug, als er sich entschlossen hatte, die Tür zum Schlafzimmer zu öffnen. Er wollte nicht rufen, er wollte nicht klopfen, wenn, dann wollte er seine Frau überraschen, wobei er sich nicht vorstellen konnte, in welch einem Zustand er sie sah.
Egal, nur nach vorn blicken.
Ted Borner stieß die Schlafzimmertür auf, machte Licht und hielt zugleich den Atem an. Er rechnete mit etwas Schlimmen, doch seine Phantasie wurde von der Wirklichkeit übertroffen.
Was er da zu Gesicht bekam, war einfach grauenhaft…
***
»Hast du keinen Hunger, John?« fragte mich mein neuer Kollege Brian Britton, als er den Dienstwagen stoppte, das Scheinwerferlicht löschte und auch den Motor ausstellte.
»Muß ich das?«
»Nein, aber ich habe Hunger.«
Mein Mund verzog sich zu einem Grinsen. Der Daumen zeigte durch die Scheibe. »Deshalb hast du auch hier gehalten. Rein zufällig vor dem Fast-Food-Laden.«
»Es hatte sich so ergeben.«
»Du kannst mir einen Hamburger mitbringen.«
»Mach ich.« Britton zwinkerte mir zu und verließ den Wagen. Es war ein neutraler Ford Scorpio, in einem dunklen Grün lackiert.
Der Kollege stieg aus. Wenn es einen Bilderbuch-Iren gab, dann ihn.
Das Haar lag auf seinem Kopf wie rote Wolle. Sommersprossen überzogen sein Gesicht mit der blassen Hautfarbe. Brian brachte einiges an Gewicht auf die Waage, und als er über den Gehsteig ging, erinnerte er sich an einen Cowboy, der gerade aus dem Sattel gestiegen war und Mühe hatte, in seinen hochhackigen Stiefeln zu laufen, weil er zu lange geritten war. Deutlich zeichnete sich seine Gestalt von der bunten Fassade des preiswerten Restaurants ab, das von zahlreichen Jugendlichen
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