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0901 - Die Zweidenker

Titel: 0901 - Die Zweidenker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Tür war offen. Ich verhielt mich still und sagte mir in Gedanken alles vor, was Vater und Mutter sagen würden.
    Ich dachte: Jetzt wird Mutter Vater schelten. Und ich hatte recht. Ich hörte sie sagen: „Du wirst nie Arbeit finden. Und ich sage dir auch warum: Weil du ein Faulpelz bist."
    „Was kann ich dafür, daß man auf Terra keinen Mann mit meinen Fähigkeiten braucht", verteidigte sich Vater.
    In der Provcon-Faust war er „L-Kontakter" gewesen. Das „L" steht für Lotsen, und es. waren die Vaku-Lotsen damit gemeint, die man anheuern mußte, um mit dem Raumschiff den Staubmantel unbeschadet durchdringen zu können, der die Welten der Provcon-Faust umgab.
    Auf Terra gab es natürlich keine Vaku-Lotsen, und das war für Vater sehr bitter, denn er hatte seinen Beruf geliebt. Er wäre am liebsten nie von Gäa weggegangen, und ich auch nicht. Aber ich wurde nicht gefragt, und Vater hatte sich Mutters Willen gebeugt.
    Immer wenn Vater auf seine Fähigkeiten hinwies, die auf der Erde niemand zu brauchen schien, sagte Mutter darauf, daß er nicht so stur sein und umdenken sollte. „Für andere Arbeit bist du dir zu gut", sagte sie aus der Küche. Vater mußte wohl noch in der Diele stehen. „Wenn du keinen solchen Dickschädel hättest, würdest du dich umschulen lassen. Aber nein, alles andere als die Position eines L-Kontakters ist dir zu minder."
    „Vielleicht habe ich doch was, Aldina", sagte Vater unsicher. „Und warum hast du nicht zugepackt?"
    „Die Sache will überlegt sein. Wir sprechen nach dem Abendessen darüber.
    Was gibt es?"
    „Was weiß ich, was das ist, was uns die Fürsorge mit der Rohrpost geschickt hat. Es hat jedenfalls die Form der Rohrpostpatrone. Ich habe das Stück in zwei Hälften geteilt. Die eine Hälfte haben die Kinder bereits verputzt. Die andere Hälfte bereite ich für uns beide gerade auf."
    „Wo sind die Kinder?"
    Ich ruckte automatisch von meinem Platz hoch, ließ mich dann aber wieder zurücksinken. Wenn Vater „Kinder" sagte, so meinte er doch nur meine ältere Schwester Kerinnja.
    Und da hörte ich sie auch schon laufen und jauchzen. Und ich stellte mir vor, wie sie ihm in die Arme flog und er sie hochhob und abknutschte. Vater liebte Kerinnja.
    Ich stahl mich aus meinem Zimmer und machte mich ganz klein, als ich ins Wohnzimmer kam und von dort in die Diele sehen konnte. Ich war so schon nicht gerade groß. Ich konnte bequem das Kinn auf die Tischplatte legen. „Was hat denn mein Sternenfräulein heute so getrieben?" fragte Vater in einem Ton, den ich gerne von ihm hörte, auch wenn er ihn mir gegenüber nie gebrauchte. „Das unverschämte Gör hat mich heute den ganzen Tag kreuz und quer durch Istanbul geschleppt", antwortete Mutter anstelle meiner Schwester. „Von einer Schule zur anderen.
    Aber keine war ihr recht. Auf der einen war der Lehrplan zu umfangreich, bei der anderen zu improvisiert.
    Hier waren ihr die Erziehungsmethoden zu antiautoritär, dort zu repressiv ..."
    „Ich will zur Emerson-Schule", warf Kerinnja trotzig ein. „Nur dort entsprechen die Lehrmethoden meinen Vorstellungen."
    „Und?" Eine Spur Strenge schlich sich in die Stimme von Vater. „Warum habt ihr euch dann nicht um Aufnahme an dieser Schule beworben?"
    „Diesen Floh hat ihr irgendein Streuner ins Ohr gesetzt", sagte Mutter. „Er hat sich in der Altstadt an uns herangemacht und irgend etwas von der Freiheit der Kinder gefaselt.
    Nicht dressieren sollt ihr sie, hat er gesagt, sondern in Freiheit sollt ihr sie heranwachsen lassen. So ein Unsinn!"
    „Ich möchte zur Emerson-Schule!" sagte Kerinnja.
    Mutter seufzte. „Ich hätte jhr ihren Willen gelassen.
    Aber so eine Schule gibt es nicht.
    In ganz Istanbul nicht, und wahrscheinlich auf ganz Terra nicht. Das war ein Spinner!"
    „Ihr könnt morgen weitersuchen", vertröstete Vater meine ältere Schwester und verabschiedete sie mit einem Klaps. Sie schenkte ihm dafür einen schmachtenden Augenaufschlag.
    Kerinnja war schon eine junge Dame. Vierzehn. Mit einem Busen wie Mutter. Kerinnja ist sehr stolz darauf und sagt mir bei jeder Gelegenheit, daß ich nie so gut entwickelt werden würde wie sie. '„Du bist sieben, siehst aber aus wie ein Küken, das gerade aus dem Ei geschlüpft ist", hat sie mir einmal vorgehalten.
    Seitdem weiß ich, daß Hühner aus Eiern kommen. Ich könnte keines mehr essen.
    Vater kam ins Wohnzimmer und ließ sich in eine Sitzmulde sinken. Er verschwand fast darin. Mich entdeckte er nicht, ich war auch leicht

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