0901 - Kampf um die Schwefelklüfte
und das umliegende Land. Der Meister des Übersinnlichen war begeistert, er sog alles in sich auf wie ein Schwamm. Die - friedliche! - Änderung der Stadt, in der er so lange gelebt hatte, selbst zu sehen, war offensichtlich faszinierend für ihn.
»Ich erinnere mich nur noch an weniges«, sagte er zu Fu Long. »Das Meiste hingegen sieht total verändert aus.«
»Es ist auch lange her, dass du als Tsa Mo Ra hier warst«, erklärte der Chinese.
Zamorra atmete tief ein, denn die Erwähnung des Namens ließ eine Saite in seinem Inneren aufklingen. Alten Schriften zufolge war er als Tsa Mo Ra einst dritter Hofzauberer in Choquai gewesen. Das fast vergessene Reich des chinesischen Götterdämons Kuang-shi hatte vor etwa 2000 Jahren am Oberlauf des Yangtze existiert, bis es bei einem Aufstand völlig zerstört worden war. Kuang-shi konnte zwar nicht getötet werden, aber er fiel in einen tiefen Schlaf - und Choquai existierte in seinen Träumen weiter.
Gemeinsam mit Fu Long hatte Zamorra versucht, den wiedererwachten Kuang-shi daran zu hindern, die Erde in ein Gegenstück seines Vampirreiches zu verwandeln. Dabei war der Dämonenjäger selbst in das alte Choquai versetzt worden. Es war schwierig gewesen und hatte lange gedauert, Zamorra wieder aus dieser Vergangenheit zurückzuholen, doch schließlich war es gelungen. Doch hatte Fu Long Zamorra die Erinnerung an seine Zeit in Choquai nehmen müssen, um ihn zu schützen. Vor knapp einem Jahr jedoch hatten sich die Erinnerungen an das, was damals geschehen war, einen Weg in sein aktives Bewusstsein gebahnt. Die Erinnerungen an sein Leben hier. Und an Shao Yu, seine damalige Frau - eine Vampirin und Zauberin. Nicole Duval wurde heute noch eifersüchtig, wenn nur Shao Yus Name fiel.
»Ja, es ist sehr lange her«, bestätigte Zamorra langsam. In Gedanken weilte er im Choquai von damals. Plötzlich zuckte er leicht zusammen und beobachtete die Umgebung. Er fühlte richtiggehend Blicke auf seiner Haut.
Sie wurden beobachtet…
***
Von was reden die? , fragte sich Don Jaime. Er wusste nichts von Zamorras Zeit als Tsa Mo Ra.
»Ich muss wieder zurück«, sagte Zamorra. »Ich muss noch Vorbereitungen treffen.«
Fu Long nickte ihm zum Abschied zu.
»Auch ich muss noch einiges vorbereiten.«
Dann war er verschwunden.
Zamorra sah sich noch einige Minuten um. Er hatte das sichere Gefühl, dass ihn jemand beobachtete und wollte Zeit schinden, um herauszufinden, wer der Unbekannte war.
Don Jaime zog sich etwas zurück. Er wollte erst abwarten, bis sich Zamorra auf die Schaffung eines Weltentors konzentrierte, um von der Umgebung abgelenkt zu sein. Und sein Warten wurde belohnt: Zamorra murmelte nach einer kurzen Weile uralte Zaubersprüche, er malte mit den Händen magische Zeichen in die Luft, die Jaime unbekannt waren.
Das ist die Gelegenheit! , dachte der Vampir und kam aus seiner Deckung hervor. Er rannte die wenigen Meter auf den Parapsychologen zu.
Im gleichen Augenblick drehte sich Zamorra um.
»Lange nicht gesehen und doch gleich erkannt, Don Jammer«, sagte er mit harter Stimme.
Don Jaime hatte ein Gefühl, als würde sein schwarzes Blut in den Adern gefrieren.
Er griff nach Zamorras Oberarm und versuchte, sich zusammen mit dem Meister des Übersinnlichen in die Hölle zu versetzen.
Gleichzeitig öffnete Zamorra ein Weltentor.
Don Jaimes schwarze und Zamorras weiße Magie überlappten sich und rissen beide Männer mit sich fort.
***
Lucifuge Rofocales Rundruf hatte alle Bewohner der Hölle erreicht. Nun wussten Abermillionen Höllendiener, dass Merlin Ambrosius, der sogenannte »König der Druiden«, nicht mehr lebte. Viele Wesen jubelten über Rofocales Sieg, aber bei weitem nicht alle.
Unter den Dämonen und Höllendienern gab es eine große Anzahl, die mit der Ermordung des ehemaligen Gehilfen von KAISER LUZIFER nicht einverstanden waren. Sei es, weil sie dem Erzdämon den Triumph nicht gönnten, dass er diesen Sieg errungen hatte; sei es, dass Merlin für sie eine berechenbare Größe darstellte, mit der sie sich arrangiert hatten.
Die meisten Dämonen waren Einzelgänger. Zwar hielten sie sich Untergebene und Leibsklaven, und das oft zu tausenden, aber mit ihresgleichen kommunizierten sie selten. Das mochte unter anderem daran liegen, dass sich kein Dämon einem anderen unterwerfen wollte. Jeder von ihnen wollte unbedingt derjenige sein, der den Ton angab, und da alle Dämonen extrem aggressiv und eifersüchtig waren, endeten solche Treffen oft genug
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