0902 - Das Mädchen und die Loower
einem Kindergesicht, der immer noch von den Alpträumen seiner Jugendzeit gequält wurde. Was mochte er durchgemacht haben, daß er so geworden war, wie er war? „Warum hast du das getan, Frath?" fragte ich. „Oder verrätst du mir deinen richtigen Namen?"
„Frath Koban heiße ich nur für deinen Vater", antwortete er. „Nenne mich einfach Boyt."
„Dann gibt es dich wirklich?" wunderte ich mich. „Warum sollte es mich nicht geben?"
„Die Loower glauben nicht an deine Existenz", sagte ich, und an seinem zufriedenen Lächeln merkte ich, daß dies genau in seinem Sinn war. Ich hätte das wohl besser nicht sagen sollen. „Ist es wahr, was man von dir sagt?"
Er wischte mit der Hand durch die Luft. „Du darfst nicht alles glauben", sagte er, und ich hatte den Eindruck, daß ihm der Gedanke Unbehagen zu bereiten schien, daß ich schlecht von ihm denken konnte. „Es kommt immer darauf an, von welchem Gesichtspunkt man die Dinge betrachtet.
Du hast von mir nichts zu befürchten, Baya."
„Ich fürchte mich auch nicht."
Das schien ihm auch wiederum nicht zu gefallen. „Was albere ich überhaupt mit dir herum!"
Als er sich mir diesmal zuwandte, hatte sein Jungengesicht plötzlich einen grausam-verhärmten Zug. Er war wütend, aber nicht auf mich persönlich, sondern ganz allgemein.
Ich betrachtete ihn neugierig, und das schien ihn noch zorniger zu machen. „Schluß damit!"
Es war offensichtlich, daß er sich damit selbst zur Ordnung rief. Und es gelang ihm. Er war plötzlich ein ganz anderer. Ich meine damit, daß sich etwas in seinem Wesen wandelte und sich seine ganze Einstellung zu mir änderte. „Ich laß mich doch nicht von einem Naseweis wie dir aus der Fassung bringen!"
Aber daß er diesen Beschluß überhaupt laut aussprach, zeigte mir, daß es ihn mehr Überwindung kostete, als ihm lieb war. Immerhin, es half ihm.
Er hatte auf einmal etwas Dämonisches an sich. Der Blick seiner Augen wurde noch kälter. Sie wurden dunkel und hart wie Lavastein, sie versprühten einen starken Willen, wirkten dadurch jedoch um so lebloser.
Es waren zwei harte Steine aus toter Materie, aber mit unheimlicher Suggestivkraft. Ich blickte fasziniert in sie. „Du magst mich, Baya", sagte er mit einer Stimme, die zum Ausdruck seiner Augen paßte. „Du hast keine Furcht vor mir und keine Abscheu.
Du liebst mich wie deinen Vater.
Noch mehr, denn ich stehe dir näher."
Er hatte auf einmal drei Augen.
Eines davon trug er auf der Stirn, in den seltsamen Helm eingebettet. Es faszinierte mich mehr als seine beiden Steinaugen. Aber es hatte dieselbe geringe Wirkung auf mich.
Und dann kam noch ein viertes Auge dazu. Es bildete mit dem Helmauge und seinem Nasenrücken eine gerade Linie, die bis zu seinem Halsansatz führte, wo das vierte Auge auftauchte. Es war kein so geschliffener Stein wie der, aus dem seine beiden Sehorgane bestanden. Es war ein großer, unbehauener Klumpen.
Und ein ulkiger Zwerg winkte daraus.
Ich mußte lächeln und winkte zurück.
Das ließ Boyt aufschreien. Er tat einen kehligen, unartikulierten Schrei. Er sagte etwas, aber es klang viel zu undeutlich, als daß ich es hätte verstehen können. Aber aus seiner Stimme klang Unmut.
Er war über alle Maßen verärgert.
Ich wußte nicht, wieso. „Boyt, was hast du?" fragte ich.
Daraufhin wurde er nur noch wütender.
Auf seinem weißen Gesicht bildete sich Schweiß. Seine Augen wurden völlig entseelt, sie waren die beiden kältesten Pole im Universum.
Etwas kam daraus auf mich zu, versuchte, auf mich überzugreifen. Ich wehrte mich nicht dagegen, ich erwartete das Etwas furchtlos. Aber irgendwie prallte es immer wieder von mir ab. Ich spürte nur seine wärmende Ausstrahlung. Das Etwas wurde heiß. Es brodelte. Und ich wunderte mich, wie etwas Sonnenheißes aus etwas Eiskaltem kommen konnte.
Und dann erlosch das Feuer.
Boyt brach erschöpft zusammen.
Er keuchte. Er schwitzte. Er zitterte.
Er war wie ein kleines Kind, das sich mit letzter Willensanstrengung bemüht hatte, ein Spielzeug von einem unerreichbaren Platz zu holen. Er hatte sich dabei völlig verausgabt und war niedergeschlagen, weil er sein Ziel nicht erreicht hatte.
Mit einem gurgelnden Laut, die Röhre aus dem Helm zum Gesicht heruntergeholt, verschwand Boyt.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
Ich verstand überhaupt nichts mehr. Und ich war immer noch völlig verwirrt, als er zurückkam und keine Anzeichen seiner Schwächeperiode mehr zeigte. „Ich glaube es nicht",
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