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0903 - Nächte der Angst

0903 - Nächte der Angst

Titel: 0903 - Nächte der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sie die Mappe mit den Anträgen, die von den Mitgliedern der Gemeinde gestellt worden waren. In der Regel ging es darum, daß irgendwelche Wünsche erfüllt werden sollten. Jemand wollte ein Grundstück haben, um dort bauen zu können, andere wiederum machten sich Sorgen um die Kircheneinrichtung, die ihnen nicht mehr gefiel. Es ging auch um die Neugestaltung eines Kindergartens und ebenfalls um Termine, die sich der Pfarrer freihalten sollte.
    Vera hatte eigentlich alles im Griff, nur an diesem Morgen nicht. Die Fenster lagen hinter ihr. Sie fürchtete sich davor, beobachtet zu werden, schielte auch einige Male zurück und war immer froh, daß sie sich irrte.
    Keiner lauerte dort.
    Aber das Telefon ließ sie nicht in Ruhe. Vera hob ab und kam nicht dazu, sich zu melden, denn eine schrille Frauenstimme erreichte ihr Ohr. »Endlich sind Sie da, Miß Tanner. Wo haben Sie denn so lange gesteckt?«
    Es war Mrs. Frick, die anrief. Eine echte Nervensäge, die den lieben langen Tag nichts zu tun hatte und irgend jemandem auf den Wecker fallen mußte.
    Höflichkeit war Pflicht, das wußte Vera. »Ich muß mich entschuldigen, aber mein Wagen sprang nicht an. Er ist eben alt, da bin ich später gekommen. Tut mir leid, Mrs. Frick.«
    »Na ja, kann mal passieren. Keiner von uns ist perfekt.«
    »Danke, daß Sie es so sehen, Mrs. Frick.«
    Die Angesprochene räusperte sich. »Weshalb ich Sie überhaupt belästige, Miß Tanner…«
    Vera wußte, was sie zu sagen hatte. »Sie belästigen mich keinesfalls, Mrs. Frick.« Das genau hatte die Anruferin hören wollen, und ihre Stimme verlor an Schärfe.
    »Nun ja, es geht um den Kindergarten, in dem sich meine Enkel nicht mehr wohl fühlen.«
    »Warum denn nicht, Mrs. Frick?«
    »Wegen der Schmierereien.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Wissen Sie das denn nicht?«
    Dann hätte ich nicht gefragt, du dumme Kuh! Das dachte Vera nur, sie sprach es nicht aus. »Nein, ich habe mit dem Kindergarten in den letzten Tagen nichts zu tun gehabt.«
    »Das sollten Sie aber, Miß Tanner.«
    »Wenn Sie mich jetzt einweihen, werde ich es auch.«
    »Schön. Es geht um meinen Enkel. Dessen Kleidung ist verschmiert worden. Mit Fettstiften! Selbst ich habe das Zeug nicht herausbekommen, was schon was heißen soll. Diese Schmierereien können nur im Kindergarten passiert sein und nirgendwo anders. Ich sage Ihnen das mit aller Deutlichkeit, damit Sie sich noch heute darum kümmern.«
    »Haben Sie denn einen Vorschlag?«
    »Aber das ist Ihr Geschäft.«
    »Ich weiß, Mrs. Frick. Nur nehme ich gern Ratschläge von erfahreneren Menschen an.« Sie bauchpinselte die Frau, was der natürlich gefiel.
    »Das hört sich schon anders an. Ich habe da auch schon einen Verdacht, der sich auf zwei Kinder bezieht.«
    »Aha.«
    »Die Namen werde ich Ihnen allerdings nicht sagen. Man will ja nicht petzen, aber Sie sollten sich schon etwas einfallen lassen. Am besten wird es sein, wenn sie die Kinder beobachten oder beobachten lassen.«
    »Ja, das ist gut.«
    »Wann fangen Sie damit an?«
    »Morgen, denke ich.«
    Mrs. Frick war leicht düpiert. »Warum denn nicht heute schon?«
    »Weil ich erst mit dem Pastor reden muß.«
    »Aber Sie sprechen mit ihm über dieses Thema?«
    »Das werde ich.«
    »Gut, sonst hätte ich es getan.« Sie hüstelte in den Hörer und wünschte Vera noch einen schönen Tag.
    Kopfschüttelnd legte Vera Tanner auf. Derartige Anrufe nervten immer, dagegen war sie in ihrem Job auch nicht gefeit. Sie gehörten einfach dazu.
    Um sicherzugehen, daß sie auch nichts vergaß, machte sich Vera einige Notizen. Sie hatte den Zettel kaum in den Korb gelegt, der alle Nachrichten für den Pfarrer enthielt, als sie draußen im Flur die schweren Tritte hörte. Da Vera die Bürotür nicht geschlossen hatte, drangen die Geräusche deutlich an ihre Ohren, und sie hockte plötzlich steif hinter ihrem Schreibtisch, weil sie das Gefühl überkommen hatte, daß etwas passiert war. Ein Besucher war es nicht, der hätte geschellt. Vera rechnete mit dem Pastor, aber auch eine andere Möglichkeit schoß ihr für einen Moment durch den Kopf.
    Etwa Lou?
    Nein, er war es nicht. Vera fiel ein Stein vom Herzen, als sie die Gestalt des Pfarrers in der offenen Tür sah. Er blieb dort stehen und lehnte sich gegen den Rahmen. Weiß im Gesicht, zitternd und auch nach Luft ringend.
    Die Gemeindesekretärin hatte gar nicht bemerkt, daß sie aufgestanden war. »Meine Güte, Mr. Wingate, was ist denn passiert?«
    Der Mann hatte sie gehört.

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