0903 - Nächte der Angst
Blick traf sie hart. Dann ging er auf das Kreuz zu und hängte es wieder normal hin.
Vera hörte ihn atmen. Sie hatte sich geduckt. Nun drehte sie behutsam den Kopf nach rechts.
Alex war neben ihr stehengeblieben. Er atmete schwer, ein Zeichen seiner Erregung. Die Finger hielt er ineinander verhakt, er rang nach Worten und hatte sich schließlich überwunden. »Du weißt, was das bedeutet, Vera?«
»Was denn?«
»Das Kreuz auf dem Kopf, verdammt!« schrie er.
Sie hob die Schultern. »Ich habe es nicht dort hingehängt«, gab sie flüsternd zur Antwort.
»Klar, ich glaube es dir. Es wäre ja noch schöner gewesen, verflucht. Aber du hast auch keinen Finger gerührt, um dies zu ändern. Das weiß ich auch.«
»Ich habe es nicht gesehen.«
Er lachte schallend. »Nicht gesehen, Vera? Willst du mir wirklich weismachen, es nicht gesehen zu haben?«
»So ist es.«
»Das glaube ich dir nicht. Du mußt es einfach gesehen haben. Jeder, der dein Büro betritt, schaut automatisch gegen die Wand und sieht auch das Kreuz.«
»Ich bin es gewohnt, auf den Schreibtisch zu schauen. Für mich ist der Raum nicht neu.« Ihre Ausrede klang lahm, das wußte sie, doch Alex akzeptierte sie.
Er verließ seinen Platz und holte sich einen Besucherstuhl heran. Genau vor den Schreibtisch setzte er sich, damit er seiner Verlobten in die Augen schauen konnte.
Es fiel Vera schwer, dem Blick standzuhalten. Sie wußte auch nicht, was sie sagen sollte. So wie sie mußte sich eine Angeklagte vorkommen, wenn sie auf der harten Gerichtsbank saß. Auch wußte sie nicht, wie sie ihre Hände halten sollte. Sie wollte ja nicht auffallen, doch auf der anderen Seite war Alex kein Dummkopf. Er hatte sicherlich längst gemerkt, was mit ihr los war.
»Du hast mir nichts zu sagen, Vera?«
»Was möchtest du denn wissen?«
Preston konnte nicht mehr an sich halten. Er mußte lachen und schlug dabei mit der rechten Faust in seine linke Hand. »Ich will einfach nur wissen, was mit dir geschehen ist? Seit einigen Tagen bist du völlig verändert. Du kommst mir vor wie jemand, der besessen ist, Vera. Ja, besessen, ich wiederhole den Ausdruck.«
»Da kann ich dir nicht folgen.«
»Dann werde ich es dir erklären, Vera. Jemand oder irgend etwas ist in dich hineingekrochen und hat dich in Besitz genommen. Ich mußte es dir einfach sagen. Ich muß loswerden, was ich fühle. Es gibt auf der Welt nicht nur das Gute, es gibt auch die andere Seite, von der ich in der vergangenen Nacht einen Vorgeschmack bekam, als mich ein Bluthund angriff und ich auch einen jungen Mann erkannte, der alles beobachtet hatte. Ich habe ihn sogar ziemlich deutlich gesehen und ich habe mir sein Aussehen eingeprägt.«
»Sicher«, flüsterte Vera. »Und weiter? Warum erzählst du mir das denn alles?«
»Weil ich davon überzeugt bin, daß du ihn kennst, diesen Mann, diesen Fremden.«
Vera versuchte, ihr Erschrecken zu verbergen und hoffte, daß es ihr auch gelang.
»Nun?«
Sie hob die Schultern. »Woher sollte ich ihn denn kennen, Alex? Was habe ich mit ihm zu tun?«
»O ja, du kennst ihn, davon bin ich fest überzeugt. Ich weiß es genau. Du kennst ihn nicht nur, du scheinst ihm sogar verfallen zu sein. Es tut mir leid, daß ich dies so hart sagen muß, aber diesen Eindruck werde ich nicht los.«
»Verfallen«, flüsterte sie. »Verfallen…«
»Ja, ich gehe noch einen Schritt weiter und sage dir, daß du ihm sogar hörig bist. Ich habe es nicht gesehen, ich kann dir auch keine Beweise liefern, aber ich weiß es. Ja, Vera, ich weiß es einfach. Zuviel ist geschehen, du hast dich zu sehr verändert. Du bist nicht mehr die, mit der ich mich verlobt habe. Ich hab auch den Eindruck, daß dieser Arbeitsplatz falsch für dich ist. Der Platz unter dem Kreuz, er steht dir nicht mehr zu. Es ist meine Seite, nicht mehr deine, denn du bist in den Kreislauf des Bösen hineingeraten, eben durch diesen anderen, und ich will von dir wissen, wie er heißt.«
Veras Gesichtsausdruck hatte sich gerade bei den letzten Worten ihres Verlobten verändert. Er war zu einer Maske geworden, aus der dem jungen Mann Ablehnung entgegenstrahlte.
»Nenn mir seinen Namen!«
»Ich kenne ihn nicht!«
Alex schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Verdammt noch mal, du lügst!«
»Das ist deine Meinung!«
Preston nickte. Er fuhr durch sein Haar. Er nahm sich die Sekunden zur Beruhigung. Dann sagte er:
»Okay, Vera, es macht nichts, wenn du mir den Namen nicht sagen willst. Es ist kein großer Fehler,
Weitere Kostenlose Bücher