0904 - Der Krieger der weißen Stadt
jetzt wieder an all diese Dinge, die ich in meiner Zeit als Licht der Wurzeln vergessen hatte. Ich war wohl wie betäubt. Vielleicht wollten mich die anderen aber dadurch auch geistig in die Verbannung schicken.«
Einen Augenblick schien sie in sich versunken, dann sprach sie weiter.
»Ich wollte leben, Zamorra. Und ich bekam die Chance dazu. Der Fluss der Speere entstand, als die ersten Krieger das Privileg verliehen bekamen, sich so gegenseitig helfen zu können. Ich war mit anderen Brüdern und Schwestern dafür verantwortlich. Eines Tages traf ich so einen Krieger…«
Maiisaros Blick schien sich in der Ferne zu verlieren, die der Speer ihr zeigte. Die unglaubliche Ferne des Alls.
»Er war so… anders. Er war freundlich, bemühte sich um mich, obwohl er natürlich nicht ahnte, wer ich wirklich war. Ich konnte mich dem nicht entziehen. Was ich mit ihm erlebte, war alles, was ich schon immer gewollt hatte.« Maiisaro blickte Zamorra und van Zant an. »Das hört sich für euch sicher kitschig an, aber ich war damals zum ersten Mal glücklich. Aber natürlich konnte das nicht lange gut gehen.«
Maiisaros Gesicht verfinsterte sich.
»Eine meiner Schwestern entdeckte den Krieger und mich hier zwischen den Sternen, denn nur hier waren wir frei. Ihr ahnt, von welcher Schwester ich spreche.« Die Männer nickte. »Sie verriet mich bei den anderen. Ein Herrscher durfte niemals an eine andere Bestimmung denken, als an die, die uns vor langen Zeiten auferlegt war. Wir mussten schützen, bewahren, sichern. Liebe? Dieses Wort wurde nicht ausgesprochen, erst recht nicht, wenn jemand aus einer fremden Rasse involviert war. Man stempelte mich zur Verräterin. Der Neid und die Missgunst meiner Schwester hatte das vollbracht. Sie war krank. Sie ist es noch, wie ihr erlebt habt. Doch das wirklich Schlimme ist, dass sie und andere Gleichgesinnte bei den Herrschern immer mehr die Oberhand gewannen.«
Van Zant unterbrach Maiisaro.
»Was geschah mit dem Krieger?«
Maiisaro senkte den Kopf. »Auch das hatte ich verdrängt und vergessen. Sie töteten ihn. Sie brachten meinen Geliebten brutal um. An diesem Tag glaubte ich den Verstand zu verlieren. Dann verbannten sie mich auf die Welt der drei Phasen , wo ich zum Licht der Wurzeln wurde. An die erste Zeit erinnere ich mich kaum noch, aber irgendwann habe ich mich in mein Schicksal ergeben. Doch dann kamt ihr, und die Manipulationen, die ebenfalls von meiner Schwester ausgingen, öffneten mir nach und nach die Augen.«
Zamorra fasste die Kindfrau bei den Schultern. »Maiisaro, was kannst du uns von der Bestimmung der Herrscher sagen? Was sind ihre eigentlichen Ziele - und wie kann man ihnen beikommen? Wir alle, die gesamte Galaxie, schweben in höchster Gefahr, wenn wir sie nicht stoppen können.«
Maiisaro nickte schwach. »Ich weiß das, Zamorra. Doch ich kann euch nicht weiterhelfen, denn als sie mich verbannten, blockierten sie den größten Teil meines Wissens. Es tut mir wirklich leid.«
Van Zant unterbrach die beiden. »Ein Speer nähert sich uns, um anzudocken. Es ist Vinca von Parom!« Sekunden später befand sich der Krieger von Parom bei seinen Freunden. Anstrengung und Sorge standen ihm ins Gesicht geschrieben.
Was er zu berichten hatte, ließ Maiisaro zittern. Ihre Welt… der Wurzelpool, die Ballwesen…
Eine Katastrophe war geschehen. Zamorra blickte Maiisaro an. Sie beide hatten den gleichen Gedanken. »Sterben, du sollst sterben - stirb, noch ehe deine Welt es tut.« Das waren die Worte gewesen, die dem Licht der Wurzeln aus der Kuppel entgegen geschleudert wurden.
... noch ehe es deine Welt tut ...
Sie verloren keine Sekunde mehr.
Vielleicht konnten sie doch noch etwas retten…
***
Van Zant und Vinca setzen ihre Speere exakt dort auf, wo sie das schon mehrfach getan hatten. Artimus ließ sich dabei von Vinca leiten, denn der hatte mehr Erfahrung in solchen präzisen Dingen. Der Physiker war nach wie vor eine Auszubildender in Sachen Speer , wie er das selbst nannte. Allerdings ein Auszubildender, der schon eine ganze Menge gelernt hatte.
Sie landeten mitten im Chaos.
Maiisaro stöhnte laut auf, als sie da Ausmaß der Zerstörung sah. Überall lagen tote Ballwesen, die nun offenbar in Ermangelung von realen Feinden gegenseitig aufeinander losgegangen waren und noch immer miteinander rangen.
Angewidert wandte Zamorra den Blick ab, als er eines dieser im Grunde doch so liebenswerten Wesen regelrecht halbiert und zerquetscht vor sich auf dem Boden
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