0908 - Höllenbrut
Gartenparty heute Abend bereits angezogen, sein weißer Anzug saß perfekt an dem durchtrainierten Parapsychologen - nur leider war das neue dunkelrote Hemd etwas eng am Hals. Kurz hatte er daran gedacht, zur Feier des Tages eine zum Anzug passende weiße Fliege anzuziehen, aber das Vorhaben schnell wieder verworfen. Davon abgesehen, dass das Hemd zum Zuknöpfen viel zu eng war, passte eine Fliege oder ein Schlips einfach nicht zu ihm. Und wenn er das Hemd einfach wie gewohnt am Hals offen stehen ließ, brauchte er sich auch nicht wieder umzuziehen. Er nahm Merlins Stern vom Bett, zog die silberne Kette über den Kopf und verstaute das mächtige Artefakt sicher an seiner Brust.
Fertig. Professor Zamorra, der Meister des Übersinnlichen, seufzte. Er hatte sich bereits unzähligen Dämonen, Vampiren, Außerirdischen und anderen magischen Wesen entgegen gestellt. Er hatte in einer magischen Stadt inmitten von Vampiren gelebt, ohne mit der Wimper zu zucken reiste er zwischen den Dimensionen und sprach mit göttergleichen Wesen wie mit seinesgleichen. Aber nichts konnte es mit seiner geliebten langjährigen Assistentin, Kampf- und Lebensgefährtin Nicole Duval aufnehmen, die sich vor einigen Wochen entschlossen hatte, es mal ruhig angehen zu lassen. Nach der ganzen hässlichen Geschichte mit dem Tod ihres Mentors Merlin, der endgültigen Vernichtung Lucifuge Rofocales, Stygias höllischem Aufstieg zur Ministerpräsidentin und Asmodis »Beförderung« zum Helfer des Wächters der Schicksalswaage hatte es trotz Nicoles Absichten noch einigen Wirbel um Rhett und seine Entführung durch eine Hexe gegeben, in London hatte ein Dämon zugeschlagen und auch in Trier, in Deutschland, hatte es einige Querelen um eine römische Geisterarmee gegeben.
Doch jetzt war Nicole wild entschlossen, wenigstens ein bisschen Zeit unter normalen Menschen zuzubringen - und damit meinte sie die Leute aus dem Dorf.
Nur verstand Nicole unter »ruhig angehen lassen« nicht unbedingt dasselbe wie Zamorra. Der Magier wäre es zufrieden gewesen, die Tage mit lesen, Experimenten und kleinen Erkundungstouren in den unergründlichen Keller von Château Montagne zu verbringen.
Doch Nicole hatte es sich in den Kopf gesetzt, im Château lieber eine große Fete zu geben - und dazu alle Bewohner des Dorfes eingeladen. Damit wollte sie sich für all die Unannehmlichkeiten und seltsamen Vorfälle der letzten Jahre - oder besser Jahrhunderte - entschuldigen, so erklärte sie eines Nachts Zamorra, obwohl sie das den Dörflern gegenüber natürlich niemals so offen aussprechen würde.
Es war eine unausgesprochene Abmachung, dass die Dorfbewohner so taten, als hätte niemals etwas Außergewöhnliches stattgefunden, und sie waren mittlerweile sehr gut im Verdrängen geworden. Denn über die Jahrhunderte, die seit dem Bau des Châteaus durch den schwarzmagischen Vorfahren Zamorras Leonardo deMontagne vergangen waren, hatte es viele höchst seltsamer Ereignisse gegeben und es war nie gesund gewesen, allzu neugierig zu sein.
Butler William und Madame Claire, die aus dem beim Château liegenden Dorf stammende Köchin, hatten Nicoles Idee einer Gartenparty, die quasi das ganze Schloss mit einschließen sollte, mit Begeisterung aufgenommen und mit ihr die letzten Wochen unermüdlich geplant. Es wurden verschiedene Caterer ausprobiert, der perfekte Zeitpunkt genau berechnet und beraten, wo wie viele Stühle und Tische und Pavillons zum Schutz vor eventuellen Wetterumschwüngen aufgestellt werden sollten.
Seit zwei Tagen belagerte nun ein Heer von zeitweilig angeheuerten Bediensteten, Floristen und anderen Dekoriersüchtigen das Château, dirigiert von den drei Hauptakteuren Nicole, Butler William und Madame Claire in ihrem unangefochtenen Küchen-Reich.
Auch im Dorf breitete sich immer mehr Vorfreude aus. Alle waren entschlossen, sich diese einmalige Gelegenheit, das Château ausgiebig aus der Nähe zu inspizieren, nicht entgehen zu lassen.
Nur zwei Bewohner waren von den Partyplänen nicht begeistert. Zum einen der Jungdrache Fooly, was sich eher auf die Anweisung seines Ziehvaters Butler William bezog, sich während der Anwesenheit von Fremden im Schloss aus offensichtlichen Gründen zurückzuhalten. Zuerst von der Aussicht auf unbegrenztes Essen und lauter Musik begeistert, hatte er sich tief enttäuscht in den für die Öffentlichkeit abgesperrten Bereichs des Châteaus zurück gezogen, um ausgiebig zu schmollen. Was allerdings sehr zu seinem Leidwesen niemandem
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