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0909 - Drachentod

0909 - Drachentod

Titel: 0909 - Drachentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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Mensch und Tier. Der Werwolf war nur die bekannteste Variante, es gab aber noch unzählige andere Formen wie Werhunde, Werkatzen, Werkrokodile - oder eben Wertiger.
    »Wir haben die meisten frei lebenden Tiger in China ausgerottet«, sagte Lee lakonisch. »Offenbar waren wir nicht gründlich genug.«
    Entsetzt wich der Mann, der sich der Frau in den Weg gestellt hatte, zurück. Doch er hatte keine Chance. Die Tigerfrau stürzte sich auf ihn und bohrte ihr Raubtiergebiss in seine Kehle.
    Blutüberströmt sackte der Mann zusammen, doch da hatte die Gestaltwandlerin bereits ihr nächstes Opfer gepackt. Ihre Hände waren zu mächtigen Klauen mutiert, deren scharfe Krallen die Brust des Kellners zerrissen.
    Jetzt brach bei den anderen Gästen schiere Panik aus. Einige Männer zogen ihre Pistolen und feuerten wild auf die Angreiferin, doch die schien die Kugeln kaum zu spüren.
    Die Wertigerin hatte sich bewusst so platziert, dass jeder an ihr vorbei musste, der zur Tür wollte. Ein junger Chinese versuchte verzweifelt, über die Tische an ihr vorbei zum Ausgang zu gelangen. Er kam nicht weit. Aus dem Stand sprang die Gestaltwandlerin ihn an und riss ihn von den Beinen. Er schlug hart auf einem Tisch auf und sah mit schreckensgeweiteten Augen in die Raubtierfratze über sich.
    Dass die Kamera seine Todesschreie nicht aufgezeichnet hatte, machte es für Zamorra nicht einfacher. Er konnte sie sich nur zu gut vorstellen.
    »Mach das aus!«, sagte er.
    Nicole betätigte eine Taste und das Bild verschwand. Ihr blasses Gesicht zeigte, dass auch sie mehr als genug hatte.
    »Wie viele?«, fragte Zamorra.
    »Zehn, darunter zwei Frauen. Drei Männer gehörten zum Personal.« Selbst Lee wirkte angegriffen. Trotz der milden Temperaturen sah Zamorra feine Schweißperlen auf seiner Stirn. »Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, warum wir uns an Sie gewandt haben.«
    Das wusste der Dämonenjäger in der Tat. Eine Wertigerin in Paris. Die möglichen Folgen waren nicht auszudenken. Wenn sie nichts unternahmen, hatten sie es möglicherweise bald mit einer ganzen Armee dieser Bestien zu tun.
    »Was haben Sie mit den Leichen gemacht?«
    »Die Bestie hat nicht viel von ihnen übrig gelassen. Wir haben die Körper trotzdem verbrannt. Sicher ist sicher.«
    Zamorra nickte. Das klang herzlos, aber es war in der Tat eine umsichtige Vorsichtsmaßnahme. Werwölfe gaben ihren Keim weiter. Ein einziger Biss reichte in der Regel aus, um auch das Opfer zu einem Leben als Gestaltwandler zu verdammen, und es gab keinen Grund anzunehmen, dass das bei Wertigern anders war. Starb das Opfer allerdings, ging von ihm normalerweise keine Gefahr mehr aus. Aber Lee hatte recht: Sicher war sicher.
    »Das sah nicht nach einer zufälligen Attacke aus«, sagte Nicole. »Kennen Sie die Frau?«
    Ihr chinesischer Besucher schüttelte den Kopf. »Niemand hat sie je zuvor gesehen. Wir haben die Aufnahme schon mit unseren Datenbanken abgeglichen: kein Treffer. Tatsächlich hatten die Neun Drachen in den tausend Jahren ihrer Geschichte kein einziges Mal mit Wertigern zu tun. Es gab Gerüchte, dass solche Kreaturen irgendwo im chinesischen Hinterland existierten. Aber niemand hat sie je gesehen.«
    »Bis jetzt.«
    »Bis jetzt. Ehrlich gesagt sind wir uns nicht einmal sicher, ob es sich überhaupt um einen Anschlag auf die Neun Drachen handelt. Wir benutzen das Restaurant zur Geldwäsche, aber seine Bedeutung für unsere Geschäfte ist doch sehr überschaubar. Den Verlust würden wir vermutlich kaum bemerken.«
    »Und den der zehn Menschen auch nicht?«
    Der Drachendiener lächelte. »Ich bitte Sie, Mademoiselle Duval, wir sind Chinesen. Wir haben mehr als genug Menschen.«
    »Wie bitte?« Nicole starrte Lee fassungslos an. In ihren braunen Augen zeigten sich goldene Tupfer, wie immer, wenn sie sehr erregt war, und eine Ader auf ihrer Stirn schwoll bedrohlich an. »Wollen Sie damit sagen, dass…«
    Diesmal war es Zamorra, der seiner Partnerin beruhigend die Hand auf den Oberschenkel legte. Lees Kaltschnäuzigkeit empörte ihn nicht weniger als sie. Aber es nützte keinem etwas, wenn sie hier aufeinander losgingen, während eine Wertigerin ungehindert durch Paris streifte und Blutbäder anrichtete!
    »Warum sollte sie dann den Laden überfallen haben?«, hakte er nach. »Nicole hat recht. Das sieht kaum nach einem Zufall aus. Diese Frau scheint sehr genau zu wissen, was sie tut.«
    Der Drachendiener zuckte die Achseln. »Ganz ehrlich, Professor, wir wissen es auch nicht. Vielleicht

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