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0909 - Drachentod

0909 - Drachentod

Titel: 0909 - Drachentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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um alle Spuren zu verwischen , dachte Meister Shiu. Es gab nur wenige, die solche Fähigkeiten besaßen. Und noch weniger hätten es gewagt, sie gegen die Neun Drachen einzusetzen. Unwillkürlich tauchte ein Gesicht vor seinem inneren Auge auf. Das Gesicht eines jungen Mannes, dessen dunkle Augen wie schwarze Sonnen zu glühen schienen.
    »Wer kontrolliert diesen Abschnitt des Hafens?«, fragte Meister Shiu. Doch er kannte die Antwort bereits.
    »Bruder Lam. Er hat volle Kooperation zugesagt und bereits seine eigenen Leute auf den Fall angesetzt.«
    Das Drachen-Oberhaupt kannte Lam Chi-Wei nur zu gut. Der junge Zauberer war der begabteste Schüler, den er je gehabt hatte. Doch sein brennender Ehrgeiz hatte Lam immer im Weg gestanden. Mit großer Sorge hatte Meister Shiu die Entwicklung des jungen Mönches beobachtet, der sich auf der Straße wohler zu fühlen schien als im Kloster.
    Wäre Lam wirklich zu so einer Tat fähig? Aber warum sollte er sich gegen seine eigenen Brüder wenden? Ging sein Ehrgeiz tatsächlich so weit?
    »Ich will ihn sprechen«, sagte Meister Shiu. Der alte Mann entließ Chow mit einer flüchtigen Handbewegung und zog sich in seine Kammer zurück. Er musste über einiges nachdenken.
    ***
    In weniger als einer halbe Stunde waren die Dämonenjäger reisefertig. Obwohl sie so wertvolle Zeit verloren, verzichteten sie auf die Benutzung der Regenbogenblumen. Die Neun Drachen mussten nichts von dieser ebenso praktischen wie exotischen Art des Reisens erfahren. Stattdessen fuhren sie mit Lees silberfarbenem Bentley Continental Flying Spur nach Lyon und nahmen dort den nächsten Flieger nach Paris.
    Es wunderte Zamorra überhaupt nicht, dass am Flughafen Charles de Gaulle bereits eine weitere Bentley-Limousine auf sie wartete. Die Neun Drachen waren bestens organisiert, und sie ließen keine Gelegenheit aus, das auch zu zeigen. Das Auto stand auf einem bewachten Parkdeck und glich dem Wagen, mit dem sie nach Lyon gefahren waren, wie ein Ei dem anderen. Selbst der Schlüssel war für beide Fahrzeuge offenbar derselbe.
    Mit einem großspurigen Lächeln entriegelte Lee die Türen. Er schien etwas enttäuscht zu sein, dass sich weder Zamorra noch Nicole zu einem Kommentar herabließen, sondern einfach wortlos im Fahrzeug Platz nahmen.
    Die Dunkelheit war längst hereingebrochen, doch im Zentrum herrschte immer noch reger Verkehr. Das änderte sich erst, als sie die großen Straßen verließen und in eine völlig andere Welt jenseits der Prachtbauten und glitzernden Boulevards eintauchten.
    Lee lenkte den Bentley durch Viertel, die selbst die meisten Einheimischen nicht einmal vom Hörensagen kannten. Heruntergekommene Wohnhäuser wechselten sich ab mit billigen Läden, bei denen man oft nicht auf Anhieb sagen konnte, was sie verkauften und ob die Besitzer sie nicht schon längst aufgegeben hatten. Schließlich signalisierten ihnen die chinesischen Schriftzeichen auf den meisten Schaufenstern, dass sie am Ziel waren. Die Gegend wirkte abweisend und bedrückend. Sie hatte nichts von der fröhlichen Exotik des Quartiers asiatique im 13. Arrondissement an sich, das Paris stolz als größte Chinatown der Welt bezeichnete.
    Kein schöner Ort um abzutreten , dachte Zamorra. Aber was war schon ein schöner Ort dafür? Irgendwann hielten sie vor einem der unzähligen chinesischen Restaurants des Viertels. Zamorra erkannte den Laden sofort. Es war das Restaurant aus dem Überwachungsvideo.
    Es handelte sich eher um einen besseren Imbiss, und der Werbeslogan im Schaufenster, »Die beste Sauerscharfsuppe in ganz Frankreich«, war ganz sicher eine dreiste Lüge. Doch im Moment gab es hier weder Sauerscharfsuppe noch sonst irgendeine Spezialität, die einen wagemutigen Passanten vielleicht angelockt hätte. Die Fensterscheibe war gesprungen und wurde nur mühsam durch Klebeband zusammengehalten. Ein handbeschriebenes Stück Karton verkündete, das Restaurant sei bis auf Weiteres geschlossen.
    Zamorra spürte, wie sich sein Magen zusammenzog, als Lee die Tür aufschloss und sie den muffigen Laden betraten. Der Geruch von asiatischen Gewürzen, ranzigem Fett und verfaulten Träumen schlug ihnen entgegen.
    »Mein Gott«, stöhnte Nicole. Nach dem Überfall hatte sich niemand die Mühe gemacht, das Chaos zu beseitigen. Zertrümmerte Tische und Stühle waren kreuz und quer im Raum verteilt. Und dann sahen sie das Blut. Dunkelrote Flecken bedeckten den Boden und die Möbel. Auch an den Wänden sahen sie zahlreiche Spritzer

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