0909 - Drachentod
packte und gegen die Wand schleuderte.
»Überraschung!«, zischte Zamorra.
Blankes Entsetzen zeigte sich auf dem Gesicht des Drachendieners, als der Parapsychologe für den Bruchteil einer Sekunde vor ihm aus dem Nichts auftauchte und sofort wieder verschwand. Er hatte keine Ahnung, dass ihm seine Wahrnehmung einen Streich spielte. Und er hatte keine Chance, es herauszufinden.
Mit einem gewaltigen Schlag auf die Kinnspitze versetzte der Parapsychologe den chinesischen Gangster ins Reich der Träume. Befriedigt registrierte er, dass Nicole ihren Gegner ebenfalls erledigt hatte.
Drei am Boden, blieb einer.
»Lee!«
Zamorras Stimme erfüllte den Raum wie ein düsteres Donnergrollen, das das unvermeidliche Gewitter ankündigte. Der blanke Angstschweiß stand dem sonst so coolen Drachendiener auf der Stirn. Lee wusste, dass er verloren hatte. Doch das machte ihn umso gefährlicher.
Der junge Asiate stieß ein hysterisches Lachen aus. »Netter Trick, Professor, wirklich.«
»Geben Sie auf, Lee. Sie haben keine Chance.«
»Aber auch nicht viel zu verlieren, oder?«
Unsicher richtete der Mobster den Colt auf die Stelle, an der er Zamorra vermutete, aber der Dämonenjäger hatte längst seine Position gewechselt.
»Legen Sie die Waffe auf den Boden, dann wird Ihnen nichts passieren, Lee.«
Lee lachte auf. »Glauben Sie wirklich, dass mich die Mauern eines französischen Gefängnisses schützen können, wenn ich hier versage?«
»Wir können Sie schützen«, sagte Zamorra eindringlich und wechselte erneut die Position. Er hatte den Drachendiener fast erreicht. »Bitte, Lee, geben Sie auf! Sie haben keine andere Wahl.«
»Doch, die habe ich.«
Lässig hob Lee die Pistole und richtete sie auf Nicole. Er grinste. »Bye bye, Flittchen.«
»Nein!«, schrie Zamorra und sprang.
Der Schuss klang unnatürlich laut in seinen Ohren. Polternd fiel die Pistole zu Boden, als der Körper des Drachendieners in sich zusammensackte.
Schlagartig wurde Zamorra wieder sichtbar und war bei Lee. Ein kurzer Blick genügte. Der Chinese war tot. Die Kugel hatte ihm den halben Schädel weggerissen.
»Warum hat er das getan?«, fragte Nicole. Die Dämonenjägerin versuchte erst gar nicht, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Er hatte mich genau im Visier.«
»Aber er wusste, dass ich ihn danach unweigerlich erwischt hätte«, sagte Zamorra grimmig. »Und er wollte vermutlich verhindern, dass ich Antworten aus ihm herauspresse - bevor ich deinen Tod gerächt hätte.«
Einen Moment sagte keiner ein Wort. Nicole betrachtete stumm den kahlen Raum mit den beiden toten und den beiden bewusstlosen Gangstern.
»Fast wie in alten Zeiten. Wir stehen mal wieder auf der Abschussliste der Neun Drachen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Nicole sah ihren Lebensgefährten erstaunt an. »Lee war ein Drachendiener, das wissen wir genau.«
»Sicher, aber wir haben den Neun Drachen in letzter Zeit eigentlich keinen Grund gegeben, sauer auf uns zu sein. Im Gegenteil, wir haben ihnen in schöner Regelmäßigkeit die Kastanien aus dem Feuer geholt. Und ich glaube, Meister Shiu weiß nur zu gut, dass er damals einen Fehler gemacht hat.«
»Wer weiß schon, was im Kopf dieses alten Zausels und der anderen vorgeht?«, erwiderte Nicole düster.
Zamorra musste ihr recht geben. Die Neun Drachen lebten in einer Welt voll geheimer Pläne, Intrigen und undurchsichtiger Winkelzüge. Schwer zu sagen, was ihre wirklichen Absichten waren.
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden…«
»Wir müssen nach Hongkong«, beendete Nicole den Satz.
Zamorra nickte. »Zu dumm, dass wir in letzter Zeit nichts von Chin-Li gehört haben. Sie wäre uns jetzt eine große Hilfe.«
Nach ihrem gemeinsamen Abenteuer in Tibet war die chinesische Kriegerin wieder abgetaucht. Sie hatte sich sogar geweigert, eins der von Tendyke Industries entwickelten TI-Alpha-Handys anzunehmen, damit sie im Notfall erreichbar war. »Wenn ihr mich ausfindig machen könnt, können andere das auch«, hatte sie gesagt. Und jetzt hatten sie den Salat.
»Vermutlich ist sie auch in Gefahr«, sagte Nicole nachdenklich. »Schließlich haben wir oft genug Seite an Seite gekämpft. Wer immer uns in der chinesischen Mafia aus dem Weg haben will, hat sie sicher auch auf dem Kieker.«
»Na prima.« Zamorra verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln. »Dann hoffen wir mal, dass ihre Tarnung so gut ist, dass nicht nur wir sie nicht finden.«
***
Wie alle anderen Brüder des Ordens lebte
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