091 - Die Bräute des Henkers
auf seiner Insel sehr romantisch, ohne ihren Namen zu nennen. Er bot jungen Frauen aus Kreisen des Adels die Möglichkeit, bei ihm standesgemäß zu leben. Eine diskrete Regelung der finanziellen Verbindlichkeiten war zugesagt worden.
Über den Herausgeber des Adelsblättchens war Valerie de Tinville mit dem Marquis in Verbindung getreten. Sie hatte wohlweislich kein Bild von sich selbst geschickt, sondern das eines unbekannten Filmstarlets, einer rothaarigen Schönheit. Und de Calmont hatte prompt angebissen.
„Wie haben Sie denn dem Grafen die Täuschung plausibel machen wollen?" fragte Coco.
„Ich hätte ihn schon überzeugt", antwortete Valerie de Tinville mit ihrer in der Hypnose flachen Stimme. „Ich besitze innere Werte und bin sicher, Charles-Henri und ich passen gut zusammen." Coco ließ sich von ihr das Einladungsschreiben des Grafen de Calmont geben.
… bin ich glücklich, in Ihnen eine verwandte Seele entdeckt zu haben, schrieb de Calmont. Bei gegenseitigem Gefallen wird einem harmonischen Zusammensein auf meinem Schloß nichts im Wege stehen. Mit hochwohlgeborener Hochachtung - Ihr sehr ergebener Charles-Henri de Clarmont.
Der schwülstige Stil ließ Coco lächeln. Sie gab Valerie de Tinville ihre Anweisungen. Valerie sollte unter dem Namen Helene Gautier in Carnac wohnen - und zwar, bis Coco sie wieder nach Hause schickte oder vier Wochen vergangen waren. Valerie de Tinville sollte niemandem ihre wahre Identität enthüllen und alles vergessen, was mit dem Grafen de Calmont und der Paradiesinsel zusammenhing - bis zum Ablauf der Frist.
Valerie de Tinville war am späten Vormittag mit der Bahn in Carnac angekommen und hatte sich gleich zum Hafen begeben. Niemand in Carnac kannte sie. Coco suggerierte ihr ein, daß sie sich in Carnac friedlich betragen und erholen sollte; das würde ihr sicher guttun. Valerie de Tinville erhielt außerdem die Anweisung, ihren Angehörigen jede Woche einen belanglosen Brief zu schreiben. Damit glaubte Coco, Valerie de Tinville auf elegante Weise aus dem Weg geräumt zu haben. Sie konnte ihre Rolle übernehmen und auf der Paradiesinsel als Valerie de Tinville auftreten.
Michel Latour klopfte an die Tür. „Brauchen Sie noch lange, Mademoiselle? Der Graf wartet sicher bereits."
„Wir sind fertig", antwortete Coco.
Sie ließ Valerie de Tinville in der Kabine. An Deck sprach sie mit Pierre, während Michel Latour ungeduldig auf der Brücke wartete.
„Wir müssen jetzt fürs erste Abschied nehmen, Pierre", sagte Coco. „Aber wir bleiben Freunde, wenn ich auch aufs Schloß ziehe. Wir treffen uns nachts im Wintergarten, wie wir es besprochen haben Wenn du die Männer siehst, die ich dir beschrieben habe, oder den blauen Jungen, dann sag mir Bescheid, ja?"
Pierre nickte.
„Ein großer blonder Mann mit einem schwarzen Schnurrbart. Und ein schwarzhaariger Mann mit heller Haut und Sommersprossen. Und noch ein Mann. Er ist - ist blond und schwarzhaarig und hat nur ein Auge über der Nasenwurzel."
Er brachte alles durcheinander. Coco seufzte.
„Das mit dem blauen Jungen wirst du dir wohl merken können. Sag mir, wenn Fremde auf der Insel sind! Halte Ausschau nach ihnen! Der Kapitän wird dich jetzt zur Insel zurückrudern. Aber lange mußt du hier nicht mehr bleiben."
Die Belle Jeanette lief in die kleine Bucht in der Nähe des Schlosses ein. Valerie de Tinville befand sich unter Deck. Coco stand vor der Brücke, als Michel Latour den kleinen Kai ansteuerte. Charles-Henri de Calmont und vier seiner Damen hatten sich eingefunden. Sie trugen die Tracht des Rokoko. Die vier Frauen hielten Fächer in den Händen. Sie plauderten und lachten. Anscheinend amüsierten sie sich gut. Coco hatte aber schon einmal hinter die Kulissen geblickt.
Latour hatte das Anlegemanöver beendet. Der alte Seebär warf zwei Stahltrossen auf den Kai. Zwei Bedienstete des Grafen machten sie an Pollern fest. Dann wurde ein Laufsteg herübergelegt.
Die beiden einfach gekleideten Männer verneigten sich achtungsvoll, als der Graf ihn betrat. Charles-Henri de Calmont war ein stattlicher Mann, und der reichverzierte Frack und die Allongeperücke standen ihm gut. Er machte eine galante Verbeugung vor Coco.
„Demoiselle de Tinville, wie ich vermute?"
„Allerdings." Coco schenkte dem Grafen ihr bezaubernstes Lächeln und warf ihm einen heißen Blick zu. „Sie müssen Graf de Calmont sein."
„Der bin ich, Demoiselle. Ich muß gestehen, Ihr seid noch hübscher, als ich nach Euerm Bild
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