091 - Die Braut des Hexenmeisters
von Bedeutung.“
Der Meister packte Yvette so heftig an den mageren Schultern, daß sie einen Schmerzenslaut von sich gab. „Jean! Jean! Was für ein Jean?“
„Ich konnte die Adresse nicht lesen. Der Brief schaute aus ihrer Tasche.“
Der Meister ließ sie los.
„Yvette“, befahl er, „du verständigst alle meine Freundinnen und meine Anhänger. Sie sollen sofort nachforschen, ob ein gewisser Jean Dougnac in Paris lebt, dessen Vorvater einmal dein Haus besessen hat, Odile! Du erkundest, ob eine Verbindung zwischen Manon Regnard und diesem Jean Dougnac besteht. Falls ja, müßt ihr mit allen Mitteln verhindern, daß die beiden sich begegnen oder zusammenkommen.“
„Ja, Meister“, murmelte Yvette erschrocken.
„Und du, Odile“, wandte sich der Meister jetzt an Manons Arbeitgeberin, „überwachst deine kleine Manon auf Schritt und Tritt, verstanden? Sieh zu, daß du deinen Telefonanschluß abhören lassen kannst, damit du weißt, mit wem die Kleine hier in Paris telefoniert.“
„Ja, Meister“, erwiderte Madame Robin eilfertig. „Was noch, Meister?“
Der Meister lächelte. „Sorge dafür, daß ich heute nacht noch in dein Haus eindringen kann. Und stelle unten im Keller die Kiste bereit.“
„Ja, Meister“, hauchte Madame Robin, und wurde leichenblaß.
„Jean, Jean“, rief der Meister, und seine Stimme hallte von den roten Wänden wider wie rollender Donner. „Wenn mein schlimmster Verdacht sich bestätigt, haben es diese Bastarde trotzdem immer fertiggebracht, neue Kinder zu zeugen.“ Und jetzt schimmerte durch die Maske des Gentlemans das wahre Gesicht des Meisters – der Satan.
Manon ahnte oben in dem Boudoir nicht, was für ein Unheil sich über ihr zusammenbraute. Sie lächelte dankbar, als Simone, die Haushälterin des Meisters, mit einem Stärkungsmittel zu ihr ins Zimmer kam. Die Augen der vorhin noch so freundlichen Simone sprühten Blitze. Sie schwang herausfordernd ihre Hüften und drückte ihre hübsche volle Brust heraus. „Eines kann ich Ihnen verraten, Kleine“, fauchte sie, als sie Manon das Glas gab. „Wenn Sie mit dem Meister ein Verhältnis anfangen wollen, kratze ich Ihnen die Augen aus.“
Manon lächelte erleichtert. Sie hatte sich alles nur eingebildet, und der Geist war nur ein böser Traum gewesen.
Und so fuhr sie eine halbe Stunde später beruhigt mit Odile Robin wieder zurück in die Rue de Fragonard Nr. 7.
Madame Robin wartete, bis das Betäubungsmittel, das der Meister in Manons Wein gemischt hatte, wirkte.
Zu Hause angekommen, schwankte Manon auf der Treppe zum ersten Stock, und Madame Robin mußte sie stützen und unter Aufbietung aller ihrer Kräfte in das Erkerzimmer schaffen.
„Der Abend hat Sie doch zu sehr angegriffen, meine Kleine“, sagte sie mit geheuchelter Besorgnis. „Nun schlafen Sie sich erst mal aus. Morgen früh können Sie sich ruhig Zeit lassen.“
Manon lallte nur noch etwas. Dann fiel sie der Länge nach aufs Bett und war sofort eingeschlafen.
Madame Robin lächelte hämisch, betrachtete noch eine Weile das schlafende Mädchen und ging dann auf Zehenspitzen zum Fenster. Sie zog die Vorhänge zurück und öffnete leise beide Fensterflügel.
Danach verließ sie das Zimmer ihres „Schützlings“ und begab sich hinunter in die Halle. Dort zündete sie eine Kerze an, ging in die Küche und sperrte die Tür auf, die in den Keller führte.
Seufzend stieg sie die ausgetretenen Stufen hinunter. Dieser schreckliche Wutanfall des Meisters! Sie erschauerte, als sie daran dachte. Auch sie war einmal früher, wie Yvette, die Geliebte des Meisters gewesen. Aber ihre Gefühle für ihn hatten sich längst in ein mütterliches, freundschaftliches Verhältnis verwandelt.
Aber damals, als sie noch jung und hübsch gewesen war, hätte sie jede Frau in Stücke gerissen, die ihren Alain verführt hätte.
Damals, dachte sie plötzlich und erschrak. Merkwürdig, daß sie sich jetzt wie seine Mutter vorkam, obwohl sie doch damals jünger gewesen war als er.
Du meine Güte, dachte sie bedrückt, früher hatte ich es nie geglaubt. Alain hat kein Alter. Er ist jung und uralt zugleich. Er ist immer noch ein Mann, der jede Frau verführen kann. Das kommt von dem jungen Blut, das er sich einverleibt. Das erhält ihn jung.
Und plötzlich haßte sie den Meister, haßte ihn, weil er immer noch alle Freuden des Lebens genießen konnte, die ihr bereits versagt waren.
Sie stand jetzt vor einem großen Spiegel mit geschnitztem Rahmen,
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