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091 - Die Braut des Hexenmeisters

091 - Die Braut des Hexenmeisters

Titel: 091 - Die Braut des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Willow
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Meister aufgestöbert und alle seine Anweisungen pünktlich befolgt. Das war nun der Dank für dreißig Jahre treue Dienste!
    Sie war so außer sich, daß sie eine Stunde lang am Seineufer auf – und abirrte und ununterbrochen Flüche auf den Meister herabbeschwor. Vergebliche Mühe, wie sie sehr wohl wußte. Sie war nur ein armseliges Medium und die abgelegte Geliebte eines Hexenmeisters. Sie besaß ohne den Meister nicht die geringsten dämonischen Kräfte. Heulend warf sie sich schließlich ins Gras.
    Und dann kam ihr in ihrem tiefsten Elend ein Gedanke, der so kühn war, daß sie fröstelte.
    Sie setzte sich ins Gras und wischte sich die Tränen aus dem faltigen Gesicht. Der Meister war abgelenkt und beschäftigt, das wußte sie. Also – warum sollte sie es eigentlich nicht wagen?
    Sie stellte sich die kleine Manon in Alains Armen vor, und ihr Entschluß war gefaßt.
    Yvette ahnte natürlich nicht, daß auch sie in dieser Nacht nur das Werkzeug einer anderen, höheren Macht war. Der Gedanke, mit dem sie zuerst gespielt hatte, entsprang ihrer Eifersucht. Aber daß sie ihn auch in die Tat umsetzte – diese Kraft war ihr von anderer Seite zugeflossen.
    Sie besaß nicht das zweite Gesicht wie Manon Regnard. Sie war nur ein armseliges Medium. Aber das genügte. Jean Baptist Dougnac – oder wer immer dieses Wesen war, das in der gestrigen Nacht bei der Seance Manon Regnard erschienen war – hatte vergeblich versucht, in Manons Bewußtsein vorzudringen. Alain Monod hatte es verhindert.
    Er wußte jetzt, in welcher irdischen Hülle sein Todfeind lebte. Und so hatte er rasch nach einem „Ersatz“ gesucht und sich in Yvettes Geist eingenistet. Dort lenkte er jetzt ihren Willen, wovon sie nichts ahnte.
    Jean Dougnac hatte seine Bude in der Nähe der Rue Grenelle – einen ausgebauten Speicher mit separatem Eingang. Seine Wirtin wohnte einen Stock tiefer und versorgte ihn mit rührender Hingabe.
     

     
    Jean schlief bei offenem Fenster. Unter dem Dach war es besonders schwül. Er war in Schweiß gebadet und träumte, daß ein Krankenwagen mit schrillen Sirenentönen auf ihn zuraste. Ein Gerippe saß am Steuer.
    Aber was er hörte, war keine Sirene, sondern seine Türglocke. Jemand klingelte Sturm.
    Verwirrt blickte er auf die Uhr. Zwei Uhr morgens. Unter seinem Verband pochte es. Die Wunde am Rippenbogen schmerzte.
    Es klingelte schon wieder. Dougnac ging ans Fenster und spähte durch das kleine Viereck.
    Rasch zog er den Kopf zurück. Er war plötzlich hellwach. Du meine Güte, dachte er, die alte Frau vom Friedhof! Vielleicht suchte sie immer noch ihren Kopf.
    Da rief die Frau ihm auch schon zu: „Ich habe Sie gesehen!“ Ihre Stimme klang ganz anders als auf dem Friedhof. „Machen Sie mir sofort auf. Es handelt sich um Manon Regnard.“
    Manon – das wirkte wie ein Losungswort. Er drückte auf den Türöffner und die Alte betrat das Haus.
    Nein, dachte Jean erleichtert, das war nicht die Alte von gestern nacht. Diese Frau war dürr, altjüngferlich. Sie gefiel ihm nicht. Und das mit Manon? Nun, es konnte eine Falle sein.
    Sie sah sich kurz um, hastig, als wäre auch sie vor etwas auf der Flucht. Neben der Tür stand sein Übungsskelett. Schließlich war er nicht an Damenbesuch gewöhnt. Er ging zum Schrank und wollte seinen Wintermantel um das Skelett hängen.
    Sie winkte ab, ein trauriges Lächeln um den schmalen Mund. „Ich bin an so etwas gewöhnt. Es stört mich nicht im geringsten.“
    „Sind Sie vielleicht Krankenschwester?“ fragte er hoffnungsvoll. Vielleicht brachte sie ihm Manons Adresse. Aber mitten in der Nacht?
    Sie kicherte. Es klang verzweifelt und verächtlich zugleich. „Ich bin ein Medium. Für primitive Leute so etwas wie eine Hexe. Aber eine Hexe besitzt übersinnliche Kräfte. Ich nicht. Trotzdem …“ Sie holte ein Stück Kreide aus der Tasche ihres Mantels und malte etwas auf den Fußboden vor der Tür. Dann ging sie ans Fenster und machte dasselbe Zeichen auf das Fensterbrett. „Für alle Fälle“, meinte sie. Dann lachte sie wieder schrill. „Wenn ich eine Hexe wäre, könnte ich nicht mehr aus dem Zimmer hinaus.“
    Er wich einen Schritt zurück. Jetzt war ihm klar, was er vor sich hatte. Eine Verrückte. Doch sie schien zu erraten, was er dachte. Sie zog ihren Mantel aus, raffte das Kleid über ihrer mageren Brust hoch und seufzte.
    „Mir ist es egal, wofür Sie mich halten. Es wird länger dauern. Und wenn ich fertig bin, werden Sie mich verfluchen oder mir danken. Ich bin

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