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091 - Die Braut des Hexenmeisters

091 - Die Braut des Hexenmeisters

Titel: 091 - Die Braut des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Willow
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Meister sprach mit tiefer, volltönender Stimme: „Wir haben heute ein neues Medium in unserer Mitte, das unsere Gemeinde erst gestern entdeckt hat. Ich empfehle dich den Geistern, Manon Regnard!“
    Manon erschrak und wollte protestieren. Sie wollte die Hände Madame Robins und Yvettes, die diesmal links von ihr saß, loslassen. Doch die beiden Frauen hielten sie fest wie Schraubstöcke. Im gleichen Moment pulsierte auch schon ein geheimnisvoller Strom durch den Kreis. Und dann hörte sie, wie der Meister weiter zu ihr sprach, aber diesmal nur zu ihrem Geist: „Ich habe von dir Besitz ergriffen, Manon, von deinem Körper und von deinem Geist. Ich habe dein Blut getrunken, und seitdem bist du mir verfallen. Du gehörst mir und wirst alles tun, was ich sage.“
    Die Worte des Meisters hallten wie Donnerschläge in ihrem Kopf. Sie ächzte und stöhnte. Die anderen in der Tischrunde glaubten, daß sich ein Geist ankündigte. Aber so war es nicht. Manon wußte, daß der Meister die Wahrheit gesagt hatte. Sie wußte jetzt, daß er tatsächlich ihr Blut getrunken hatte und daß sie ihm verfallen war. Und das Schlimmste war – ihr Körper nahm seine Worte begierig und mit Freuden auf. Sie war verloren. Sie war diesem Mann und dem Satan verfallen.
    Im nächsten Moment wußte sie nichts mehr, wurde zum irdischen Sprachrohr der Geister, die der Meister durch sie beschwor, zur irdischen Hülle der Geister, die von ihr Besitz ergriffen. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes „besessen“ und wußte es nicht. Es war die glänzendste spiritistische Sitzung, die Paris je erlebt hatte. Man raunte noch Monate später in der besten Gesellschaft davon. Manon – ein kleines Mädchen, irgendwoher aus der Provinz nach Paris gekommen – redete, prophezeite, mahnte, erinnerte sich. Sie plauderte Geheimnisse aus, die nur der Geist wissen konnte, der aus ihr sprach. Es war grandios und erschreckend zugleich.
    Als Manon aus ihrer Trance erwachte, wußte sie nichts von alledem. Sie begriff nicht, warum man sie stürmisch feierte und die Gäste sich um sie drängten wie um einen Star. Sie war erschöpft. Und vollkommen verzweifelt, weil der Geist von gestern nacht ihr nicht erschienen war – Jean Baptiste Dougnac.
    Alain Monod überließ Manon seinen Gästen. Er hielt sich bescheiden im Hintergrund und genoß schweigend seinen Triumph. Yvettes giftige Blicke störten ihn nicht. Hier ging es um Wichtigeres. Nachdem er die kleine Manon, die, ohne es zu wissen, seine Todfeindin war, in der gestrigen Nacht nicht bezwingen konnte, hatte er sie sich heute unterworfen. Er hatte ihr vor der Sitzung, ohne daß sie es bemerkt hatte, das schützende Pentagramm abgenommen. Alles andere war ein Kinderspiel gewesen. Er hatte Zeit – viel Zeit. Er wußte jetzt, wo Jean Dougnac war, und konnte ihn töten, wann er wollte. Er konnte beide töten. Er hatte gesiegt, und diesen Sieg wollte er auskosten.
    Er ließ die vollkommen erschöpfte Manon von Odile wieder nach Hause bringen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Er würde sie später noch einmal besuchen, wenn sie allein war – in ihrem Zimmer in der Rue de Fragonard Nr. 7.
     

     

Madame Odile Robin hatte ihre Freundin Yvette Lescaut gebeten, ihr zu helfen, die fast bewußtlose Manon Regnard in ihr Haus und dort ins Bett zu schaffen. Madame Robin öffnete wieder das Fenster wie in der Nacht vorher, dann verließen beide den Raum.
    Eine halbe Stunde später schwebte wieder die riesige Fledermaus über die Dächer von Paris, stieß in einer Spirale nach unten und flog durch das Fenster in Manons Schlafzimmer.
    Sie setzte sich auf Manons Brust und schlug die Zähne in ihren Hals. Manon sah es im Traum, erkannte die Züge von Alain Monod und wehrte sich nicht. Sie war das willenlose Werkzeug des Meisters geworden.
    Doch er schonte sie. Er wollte sie noch länger genießen. Auch ihren Geist als Medium.
    Kurz vor Morgengrauen verließ er sie. Und die Spukgeister auf den Friedhöfen erschraken, als sie sein triumphierendes Gelächter hörten.
     

     
    Yvette war außer sich, als sie Madame Odile Robin nach einem knappen Gruß verlassen hatte. Sie ahnte, was sich zwischen dem Meister und dieser kleinen Manon abgespielt hatte. Als Medium war sie jetzt erledigt nach dieser glänzenden Vorstellung von heute nacht. Als Geliebte konnte sie dem Meister sowieso nie mehr etwas bedeuten. Sie weinte vor Wut, Eifersucht und maßloser Enttäuschung. Und dabei hatte sie noch gestern nacht diesen Jean Dougnac für den

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