0910 - Der Totflüsterer
dir?«, fragte Fooly.
»Geht so. Bist du… bist du mir böse?«
Der Jungdrache versuchte, seiner Schnauze einen schmollenden Ausdruck zu verleihen, und scheiterte. »Eigentlich müsste ich es sein! Bin ich aber nicht. Und weißt du auch, warum?«
»Warum?«
»Weil du mein Freund bist!«
»Das bin ich! Es tut mir echt voll leid, wie ich mich benommen habe. Ich weiß nicht, was mit mir los war.«
»Ach was! Mach dir keine Gedanken. Schwamm drüber! Kann schon mal passieren.«
Rhett richtete sich auf und setzte sich neben Fooly auf die Bettkante. »Ich mach mir aber Gedanken! Manchmal hab ich das Gefühl, neben mir zu stehen - und den Kerl, den ich dann sehe, kann ich nicht besonders gut leiden.« Er füllte sein Glas auf und trank es in einem Zug leer. Dann stellte er es auf das Nachtkästchen und vergrub das Gesicht in den Händen. Seine gemurmelten Worte waren nicht zu verstehen.
»Was?«, fragte Fooly. »Kannst du nicht etwas deutlicher nuscheln?«
Der Erbfolger hob den Kopf und sah Fooly an. In seinen Augen standen Tränen. Er nagte auf der Oberlippe herum. Die linke Hand fand die rechte und begann sie zu kneten. »Ich hab Angst.« Sein Stimme klang zerbrechlich.
»Ach komm! Du bist der Erbfolger ! Wovor willst du denn Angst haben?«
»Vor der Zukunft. Und vor der Vergangenheit.«
»Aha.« Fooly nickte. »Du spinnst!«
»Ich kann mich inzwischen an ziemlich viel aus meinem Leben als Bryont erinnern.« Lord Bryont Saris ap Llewellyn war Rhetts Vorgänger in der Erbfolge .
»Das ist doch super!«
Rhett schüttelte den Kopf. »Ich weiß, wie es bei ihm war, als seine Erinnerungen an die alten Leben erwacht sind. Es war anders als bei mir. Viel… na ja, irgendwie harmloser. Ihm sind nach und nach Dinge eingefallen und das war's. An sein letztes Leben, also mein vorletztes, erinnerte er sich recht gut, an das davor leidlich. Und bis auf ein paar wenige Highlights aus noch weiter zurückliegenden Inkarnationen wusste er nichts weiter. Es war wie eine Art Selbstschutz, die stärkere Erinnerungen verbot.«
»Selbstschutz? Wovor?«
»Davor, das Gehirn zu überlasten.« Rhett schluckte. »Weißt du noch? Vor ein paar Wochen hab ich dir erzählt, dass ich eine Vision von einem hässlichen Dämon mit gespaltener Unterlippe hatte.«
Fooly nickte. »Du wusstest aber nicht, wer er war und in welchem deiner Leben er eine Rolle spielte.«
»Jetzt weiß ich es!« Rhett erzählte von den Erinnerungen, die ihn im Garten überfallen hatten. »Das ist aber nicht alles! Ich weiß noch viel mehr aus meinem Leben als Logan. Und ich weiß, dass Bryont keine Ahnung hatte, jemals als Logan gelebt zu haben!«
Der Drache legte die Hand auf Rhetts und drückte sie.
»Was soll ich tun«, fuhr der Erbfolger fort, »wenn ich mich in Zukunft an noch mehr erinnere? Wenn der Selbstschutz bei mir nicht funktioniert? Warum ist das bei mir so? Einfach nur Pech oder hat es einen Grund? Außerdem… außerdem habe ich Angst davor, mich an etwas zu erinnern, dass mir gar nicht gefällt. Etwas Schlimmes! Etwas Böses.«
Ein empörtes Schnauben drang aus Foolys Nasenlöchern, begleitet von zwei schwarzen Rauchwolken. »So ein Quatsch! Der Erbfolger ist ein Kämpfer des Guten.«
»Jetzt ja. Aber war er das schon immer? Ich erinnere mich an ein Gespräch, dass ich… das mein Vater… also das Lord Bryont mit Lucifuge Rofocale hatte.« [3] Rhetts Stimmlage sank beinahe um eine ganze Oktave, als er Lucifuge Rofocales Bass imitierte. »Vielleicht weiß ich, dass du einst auf unserer Seite standest. Dass du profitiertest von einer Form der Unsterblichkeit, die meine Art dir anbot. Aber du befreitest dich mit einem üblen Trick von allen Verpflichtungen meinesgleichen gegenüber.«
»Das würde ich nicht so ernst nehmen! Er hat vielleicht gesagt! Er wollte dich bestimmt nur verunsichern.«
»Kann sein. Kann aber auch nicht sein. Er hat behauptet, ich hätte den Pakt vor mehr als zwanzigtausend Jahren gebrochen. Dann hat er mich ausgelacht und gesagt, dass das natürlich auch nur eine Lüge sein könnte. Ich habe Angst davor zu entdecken, dass es keine war!«
»Und wenn schon! Das war früher. Jetzt ist jetzt! Was interessiert dich, was vor über zwanzigtausend Jahren war? Erzähl mir lieber mehr von diesem hübschen Kerlchen mit der gespaltenen Unterlippe. Kam er wirklich zurück, wie er es angekündigt hatte?«
Rhett nickte. »Das tat er. Zwei, drei Mal im Jahr.«
»Und? Ist irgendwas passiert? Erzähl schon, mach's doch nicht so
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