0910 - Der Totflüsterer
Bewusstsein?«, wiederholte Nicole. »Wie macht er das?«
»Der Dämon löst einen Teil seiner eigenen Seele ab und haucht sie seinem Opfer ein. Durch die Augen oder zum Beispiel bei diesem widerlichen Ritus, den ihr Menschen kennt.«
»Welchem Ritus?«
»Küssen!«
In diesem Augenblick machte es in Zamorras Hirn so laut Klick , dass es eigentlich auch Nicole hätte hören müssen.
»Es braucht also körperliche Nähe!«
»Richtig.«
»Der Haken kann durch Augen oder Mund gesetzt werden. Wie ist es mit den Ohren?«
»Durch die geht es natürlich auch.«
Oh, verdammt! »Danke! Das hat mir sehr weitergeholfen. Du bist entlassen.«
Vassago machte für einen Moment den Eindruck, als wolle er noch etwas sagen, doch dann zerfaserte sein Gesicht im Kaffee.
»Du weißt, woran ich denken musste?«, fragte Zamorra.
Nicole nickte. »Dieser Mann im weißen Kittel bei Luynes.«
»Genau der!«
Zamorra suchte in einem Internettelefonbuch die Nummer von Luynes Ball Bearing heraus, dann rief er dort an und ließ sich mit Madame Thysler, der Vorzimmereule von Roger Luynes, verbinden. Er erkundigte sich nach dem Namen des Mannes, dem Edouard Pereire in der Lobby etwas ins Ohr geflüstert hatte - und das waren vermutlich mehr als nur Worte gewesen!
»Oh«, flötete Madame Thysler. »Sie meinen Cedric Sandru, den Leiter unserer Entwicklungsabteilung?«
»Ja, genau den. Könnten Sie mich bitte mit ihm verbinden?«
»Natürlich! Klitzekleines Momentchen.«
Da Zamorra den Raumlautsprecher aktiviert hatte, schallte die äußerst eigenwillige Interpretation eines Beatles-Songs als Warteschleifenmelodie durch den Raum.
»Soll das Yesterday sein?«, fragte er Nicole.
Bevor sie diese Frage erörtern konnten, brach der Kunstgenuss auch schon wieder ab und das Flöten von Madame Thysler erklang erneut.
»Das tut mir furchtbar leid, aber Monsieur Sandru hat uns heute bereits verlassen. Er hat sich nicht wohl gefühlt.«
»Könnte ich dann noch einmal mit Monsieur Luynes sprechen?«
»Ich bin untröstlich, aber ich muss Sie schon wieder enttäuschen. Er musste kurzfristig weg!«
»Schade. Haben Sie Monsieur Sandrus private Telefonnummer?«
»Ach herrje! Die darf ich Ihnen leider nicht geben!«
Zamorra fragte sich, ob das wirklich so war, oder ob Madame Thysler böse mit ihm war, weil er ihr bei ihrem Besuch vorgegaukelt hatte, einen Termin zu haben. Dennoch bedankte er sich ausgesucht höflich und legte auf.
Zu Zamorras Erleichterung fanden sie Nummer und Adresse über das Internettelefonbuch heraus.
Auch unter Sandrus Privatanschluss erreichten sie niemanden.
Der Professor hämmerte auf die Auflegtaste. » Merde! «
»Meinst du, er ist in Gefahr?«, fragte Nicole. »Ich meine: Jetzt schon? Die letzte Seele hat sich Agamar erst heute Vormittag geholt!«
Zamorra erinnerte Nicole an das, was Pierre Robin ihnen mitgeteilt hatte. »Die Abstände dazwischen wurden immer kürzer! Er hat inzwischen schon sechs Seelen gesammelt. Du hast Vassago gehört: Er braucht für die Neuwerdung nur noch eine! Auch, wenn er vielleicht noch nicht in Gefahr ist, wir müssen zu Cedric Sandru!«
***
Logan schlug die Augen auf und sah sich der grinsenden Krokodilsschnauze eines dicklichen Jungdrachen gegenüber. Er schüttelte den Kopf.
Nein, ich bin nicht Logan! Ich war es einmal, aber jetzt bin ich Rhett .
»Krrhkkrk«, verkündete er.
Fooly beugte sich zu ihm herab. »Häh?«
Rhett räusperte sich die Kehle frei. Sie war trocken und fühlte sich an, als würde ein rissiger Ziegelstein darin stecken. »Ich hab Durst!«
»Ja, klar!«
Der Erbfolger sah sich um. Er lag im Bett, in seinem Zimmer, im Château Montagne. Neben ihm stand sein bester Freund und reichte ihm ein halb mit Cola gefülltes Glas. Alles war in bester Ordnung!
Nein! Nichts war in bester Ordnung. Gar nichts!
Aus nichtigen Gründen war er in Wut geraten, hatte sich mit Fooly gestritten, hatte ihn einfach im Garten stehen lassen und war dann… im Bett wieder aufgewacht. Und dazwischen lag ein ganzes Leben! Ein Leben als Logan Saris ap Llewellyn.
Seine Finger zitterten, als er das Glas in Empfang nahm. »Danke«, krächzte er. Mit gierigen Schlucken spülte er den rissigen Ziegelstein aus seinem Hals.
Fooly setzte sich auf den Rand des Betts. Mit dem Schwanz, der er zur Seite klappen musste, warf er hierbei einen CD-Ständer um, der am Fußende des Betts stand. »Tschuldigung.«
Rhett winkte ab und grinste, wurde aber sofort wieder ernst.
»Alles wieder klar mit
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