0914 - Der Fluch der Sinclairs
er ihn wiedergefunden hatte.
Der Schatten bewegte sich, auf ihn zu. Er krümmte sich während er gleichzeitig in die Höhe stieg und eine nach vorn gebeugte Wand bildete.
Da war ein Kopf zu sehen, ein Körper. Beides zusammen sah so aus, als wäre es von einer dunklen, flattrigen Kutte eingepackt worden. Das Gespenst senkte sich noch tiefer. Lautlos glitt es über die Nadelbäume hinweg oder durch sie hindurch. Nichts konnte dieses Wesen aufhalten, auch Sinclair nicht, was er auch nicht wollte, denn er wartete darauf. Der unheimliche Geist senkte sich ihm entgegen, und der Mann spürte genau, wie etwas von ihm Besitz ergriff, in seinen Kopf drang, was sich anfühlte, als wären es kühle Metallstäbe.
Hörte er eine Stimme? Hörte er ein Flüstern? Horace F. Sinclair wußte es nicht. Er gab sich diesem Schatten völlig hin und merkte nicht, wie er langsam zu Boden sank und sich die geisterhafte dunkle Gestalt über ihn legte.
Sie drang in den Mann ein.
Und sie gab ihm die Botschaft mit auf den Weg, die in den Tiefen der Vergangenheit geboren war, wobei sie Hunderte von Jahren später noch Wirkung zeigen sollte…
***
Sinclair richtete sich auf!
Er tat es sehr schnell, er schaute sich um, etwas hatte ihn erschreckt, er sah plötzlich ein Tier ganz in seiner Nähe. Es war als dunkler Umriß zu sehen. Es stand da, schaute ihn an, und in den Augen lag ein kaltes Funkeln.
Eine Katze?
Nein, sie hatte sich nicht in diesen Wald verlaufen. Es war ein direkter Waldbewohner, ein Fuchs, der plötzlich aufschrie, als sich Horace F. Sinclair bewegte.
Es blieb nicht bei diesem Schrei. Der Fuchs sprang in die Höhe und zog sich blitzartig zurück. Im Unterholz suchte er Schutz vor dem Menschen, der langsam aufstand.
Es war etwas geschehen, das wußte Sinclair genau. Die Erinnerung aber war plötzlich abgebrochen.
Er wußte nur noch, daß ihn der Schatten überfallen hatte und er zu Boden gesunken war. Alles andere war gelöscht.
Er schaute auf seine Uhr.
Mitternacht!
Auf die Sekunde.
Die Tageswende war erreicht. Eine Zeit, über die viel gesprochen und geschrieben worden war.
Dichter hatten sich mit ihr befaßt, Menschen fürchteten sich vor ihr, denn in der nächsten Stunde waren diejenigen unterwegs, die einem normalen Auge ansonsten verborgen blieben. Die geheimnisvollen Geschöpfe, die Gespenster der Nacht, die in dieser einen Stunde ihre Herrschaft aufbauten.
Und ich gehöre dazu, dachte Sinclair. Ja, ich gehöre zu ihnen. Ich bin es. Ich bin derjenige, der…
Er lachte leise.
Auf der rechten Schulter spürte er den Druck des Gewehrs. Er wußte plötzlich, als er mit einer nahezu zarten Bewegung über den Waffenlauf hinwegstrich, daß er diese Waffe sehr bald einsetzen würde. Es drängte ihn danach, es war nie so stark gewesen.
Es war sein Wald hier oben. Er mußte ihn rein halten. Er wollte nicht, daß…
Sinclair knirschte mit den Zähnen. Wehe dem, der ihm noch in die Quere kam. Er würde verlieren, sein Leben war nichts mehr wert. Alles lag jetzt in seiner Hand, denn ihm war die große Macht gegeben worden. Sie befand sich in seinen Händen, und es kam genau auf ihn an, wie und wo er diese Macht einsetzte.
Vor ihm standen noch immer die Nadelbäume dicht an dicht. Hinter ihm plätscherte das Rinnsal. Er konnte sich nicht daran erinnern, es überschritten zu haben, und er spürte in seinem eigenen Körper einen gewissen Druck, der sich zudem mit einer seltsamen Kälte paarte, die er noch nie zuvor so stark empfunden hatte. Er war verändert worden, aber es machte ihm nichts aus, denn erst jetzt fühlte er sich mächtig wie ein König oder wie ein Tyrann, der alles in diesem Wald beherrschte.
Etwas störte ihn.
Sinclair schüttelte den Kopf. Sein Mund war plötzlich trocken geworden. Er hatte etwas gehört, das einfach nicht in diesen Wald hineinpaßte, wenigstens nicht für ihn.
Das leise Lachen einer Frau wehte in seine Richtung.
Die Augen des grauhaarigen Mannes verengten sich. Sein Gehirn arbeitete. Er dachte nach, und ihm fiel ein, daß sich jenseits dieser Baumgrenze die Lichtung befand.
Der Platz für die Paare.
Wer allein sein wollte und einen gewissen Drang spürte, dem war es egal, welche Temperaturen draußen herrschten. Der Sexualtrieb war nun mal der stärkste Trieb eines Menschen. Das hatten Wissenschaftler längst bewiesen.
Wieder lachte die Frau. Diesmal sogar lauter, und Horace F. Sinclair hörte kurze Zeit später sogar die Stimme. »Willst du wirklich hier und
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